Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

244 Zehnte Ordnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

ſie flügge geworden waren, beſtändig aus der Hand mit kleinen Fleiſchſtü>c<hen gefüttert und habe niht geduldet, daß ihnen Vögel oder Mäuſe oder au<h nur größere Stücken Fleiſches zum Zerreißen vorgelegt wurden. Nur Kerbtiere bekamen ſie ganz; und ſehr drollig ſteht es den gewaltigen Fliegern, wenn ſie ſih auf eine Heuſchre>e ſtürzen, ſie kunſtgerecht mit dem einen Fange in der Mitte des Leibes pa>ken und zuerſt den Kopf und dann Bruſtſtü> und Leib e<ht wohlſ<hme>eriſ{< unter eigentümlichem Le>en mit der Zunge behaglichſt verzehren. Beine und Flügel werfen ſie ſ{hnöde beiſeite. An geiſtiger Begabung ſtehen ſie na<h meinen Erfahrungen den anderen Falken etwas nah und weit hinter den Eulen zurü>. Um nur eins zu erwähnen: einen Siegella>tropfen auf dem Tiſche halten ſie immer wieder für ein Stü>chen Fleiſch und laſſen ſih durc allwöchentliche wiederholte Erfahrung niht auf die Dauer belehren, daß hier nichts für ihren ſonſt ſo wähleriſchen Schnabel vorliegt. Eine einzige derartige Erfahrung wißigt eine Eule, möge ſie einer Art angehören, welcher ſie wolle, für die ganze Zeit ihres Lebens.“

Während der Blüte der Falkenjagd wurde auh unſer Baumfalke abgetragen und zur Beize auf Wachteln und anderes Kleingeflügel benußt, ſoll au< von einzelnen Falknern ſo weit gebracht worden ſein, daß er ſogar wilde Gänſe am Halſe pate und ſo lange quälte, bis ſie mit ihm zu Boden fielen; demungeachtet ſcheint er in der Falknerei eine beſondere Nolle niht geſpielt zu haben und mehr ſeiner jeden Beobachter erfreuenden Fluggewandtheit als der eigentlichen Beize halber gehalten worden zu ſein. „Der Baumfalk“, ſagt unſer alter Freund Gesner, auf Stumpff ſi< ſtüßend, „iſt ein ganß adelicher Vogel, und ob er gleih von ſeiner kleine und ſ{hwäche wegen nit faſt zum Federſpiel gebraucht wird, iſt er doh gang zahm und gütig, alſo daß er auf das freie Feldt oder in die Wälder gelaſſen, wiederumb zu ſeinem Herrn kompt. Und iſt dieſer ſtreit und kampff, den er mit den Tulen hält ſehr luſtig zu ſehen.“

Vom hohen Norden, ſeiner Heimat, aus durchzieht unſer Vaterland allherbſtlich ein kleiner reizender Edelfalfke, um in Südeuropa und Nordafrika den Winter zu verbringen und im Frühlinge nach ſeinem Brutgebiete zurü>zuwandern. Dies iſt der Merlin, Stein- oder Zwergfalke Zwerg- und Merlinhabicht, Smirill, Shmerl, kleiner Lerchenſtoßer 2c. (Falco aesgalon, lithofalco, regulus, falconiarum, smirilus, sibiricus, caesíius, Hypotriorchis aesalon und lithofalco, Aesalon lithofalco, regulus und orientalis, Lithofalco aesalon), deſſen kurzer Flügel zuſammengelegt nur Zweidrittel der Shwanzlänge erreicht. “ Sein Bartſtreifen iſt ſ{hwach, die beiden Geſchlechter zeigen verſchiedenartige Färbung. Die Länge des Merlins beträgt 32, die Breite 86, die Fittichlänge 20, die Shwanzlänge 13 cm; das Weibchen iſt um 2 em länger und um 3—4 cm weniger breit als das Männchen. Bei leßterem ſind Stirn und Wangen gelblihweiß, Scheitel und Vorderkopf ſowie die ganze Oberſeite dunkelbläulih aſchgrau, Kehle und Gurgel rein weiß, ein Streifen über dem Auge, ein breites Na>enband, die Halsſeiten und die ganze übrige Unterſeite, einſchließlih der Seiten und Schenkel, ſchön roſtgelb, bald lihter, bald dunkler, alle Federn, mit alleiniger Ausnahme derer der Kehle und Gurgel, dur<h ſ{<warze, oben ſ{hmißartige, unterſeits längliche, lanzettförmige, am unteren Ende tropfenartig erweiterte Fleœen geziert, die Schwingen braunſhwarz, am Ende ſhmugig weiß geſäumt und an der inneren Fahne mit weißen, nah der Wuxzel größer werdenden, bis an den Schaft reichenden Querfle>en, die aſhblauen, ſ<hwarz geſhäſteten Schwanzfedern dagegen mit einer breiten ſ{<warzen, weiß geſäumten Endquerbinde und mehr oder minder deutlich hervortretenden, {warzen Querfle>en gezeichnet. Das Auge iſt dunkelbraun, das Augenlid wie die Wachshaut zitrongelb, der Schnabel hell oder ſhmugig veilhenblau, an der Wurzel gelblihgrün, der Fuß orangengelb. Beim alten Weiben ſind die Slirn, ein Streifen über dem Auge, die Wangen,