Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

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Turmfalke: Nüblichkeit. Zähmbarkeit, Gefangenleben. 255

halten ihr Gefieder beſſer in Ordnung als alle anderen Raubvögel und dulden nicht leicht Schmuß darauf. Sie trinken bisweilen, wenn auh niht immer, und wiſchen dann wiederholt den naſſen Shnabel am Gefieder ab, das hierauf ſofort einer gründlichen Durchneſtelung unterzogen wird. Leicht gewöhnen ſie ſih daran, von Zeit zu Zeit ſih mit Waſſer übertropfen zu laſſen, bekunden dabei ſogar eine gewiſſe Behaglichkeit, während eine devrartige Nahahmung des Regens den übrigen Raubvögeln ein Greuel bleibt. Das Gefieder ſelbſt iſt ſehr weih und wenig brüchig, und daher hält ſih der lange, ſchöne Schweif im Käfige ſehr gut. Auch ſind die Bewegungen der Turmfalken weicher und ſanfter und nicht ſo ſtürmiſch wie bei den Verwandten. Man kann ſie daher, wie ich dies ſtets gethan habe, alle Tage einmal aus dem Bauer nehmen und ſih im Zimmer ausfliegen laſſen. Die anderen Éleinen Vögel in dem Zimmer geraten dabei nicht in eine ſo entſeßliche Angſt wie beim Anbli>e cines Sperbers. Flattern ſie au<h während der erſten Male ängſtlich in ihren Gebauern umher, ſo gewöhnen ſie ſi doh bald an die Ausflüge des edlen Herrn und zeigen bald keine Spur von Ängſtlihkeit mehr. Zu einem alt gefangenen Turmfalken ſeßte ih einmal ein ebenfalls alt gefangenes Gimpelweibchen in den Bauer, um zu verſuchen, ob der Raubvogel lezteres annehme, überhaupt, um ſein Thun zu beobachten. Zu meinem Erſtaunen zeigte der Gimpel durchaus keine Angſt, ſondern ſeßte ſih ruhig auf die Sißſtange des Falken. Jh ließ ihn fünf Tage bei dieſem, der allerdings wie gewöhnlich gefüttert wurde, Und ſah, daß ihm nicht das geringſte Leid geſchah.

„Am beſten iſt es, wenn man die Falken aus dem Horſte hebt, wenn die Shwanz- und Schwungfedern höchſtens 1 cm weit aus dem Flaume hervorragen. Freili<h muß man dann aber auch die größte Sorgfalt auf die Aufzucht verwenden. Man klopft junges Nind- oder Schweinefleiſh tüchtig mit dem Meſſerrü>ken und ſchneidet es in ret kleine Stücke, die man alle 1—2 Tage einmal mit grobem Pulver von Fleiſchknochen beſtreut. Haare und Federn, die ih bei der Aufzucht von Eulen von vornherein dem Futter beigab, habe ich den jungen Falken nicht gereiht. Sehr nötig iſt es, daß man ſie alle Tage einmal aus dem Behälter nimmt, auf den Finger ſett und ſie zwingt, ſich hier zu erhalten. Denn ſonſt bleiben die Gelenke der Fänge ſhwa<h und man erzieht Krüppel, die niht auf der Sibſtange ſtehen können, ſondern auf den Ferſen ho>end in den Winkeln kauern. Sie gewöhnen ſich {<nell daran, auf den Finger zu ſteigen, und fangen bald an, auf ihm feſtgeklemmt, die jungen Flugwerkzeuge durch Flattern vorzuüben. Fhre Anhänglichkeit an den Herrn iſt bekannt. F< beſaß in meinen Schuljahren ein Weibchen, das dur< das Fenſter aus und ein und draußen auf meine Schultern flog, wenn ih mitten unter meinen Schulgenoſſen ſpazieren ging. Hat man die rechte Zeit verſehen und ſind die jungen Vögel zu alt geworden, dann laſſen ſie ſih ſhwer zähmen, am ſchwerſten, wenn ſie dem Horſte bereits entflogen ſind und nahebei auf den Äſten ſigen. Leichter gelingt es, alte, mögen ſie im Neſte gefangen oder angeſchoſſen ſein, bis zu einem gewiſſen Grade zu zähmen.

„Merkwürdig ſchnell heilen bei ihnen die Shußwunden. Einſt ward mix ein ſchon ſehr ausgefärbtes altes Weibchen gebracht, bei dem der Oberarm und beide Unterarme zerſchoſſen waren. Da Muskel und Haut nicht ſehr zerriſſen waren, band ih mit breiten Bändern die Flügel feſt an den Leib und ſeßte den Vogel in einem großen Käfige auf eine Sißſtange. Hier blieb er auf derſelben Stelle ſißen und trotte 5 Tage lang, indem er keine Nahrung nahm und nur einmal ein wenig Waſſer aus dem vorgehaltenen Napfe trank. Am Ende des 5. Tages nahm er mit heftigem Griffe ein Stü>kchen vorgehaltenes Fleiſch, und von nun an ließ er ſi< tägli<h-füttern. Am 13. Tage hatten ſi die Binden, obgleich ſie gut gelegt und an den Shwungfedern angeheftet waren, verſchoben. Jh nahm den Vogel heraus, löſte die Binden vorſichtig und ſiehe, er flog über die Stube hinweg auf den Fenſterſto>. Der zerſchoſſene Flügel war bereits geheilt und lag nur unmerklich tiefer am Leibe als der andere.“