Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Tn pmi 4

Nötelfalke: Verbreitung. Lebensweiſe. Fortpflanzung. Gefangenleben. 959

die Brutplätze des lebteren beſebt und ihn daraus vertrieben habe. Der Horſt ſelbſt iſt ſtets ein unbedeutender Vau. Jm Jnneren einer Höhle baut der Nötelfalke überhaupt kein Neſt, ſondern legt ſeine Eier faſt ganz ohne Unterlage auf den Boden. Das Gelege enthält regelmäßig 4, ſelten 5 oder 6 Eier, und dieſe unterſcheiden ſi<h nux durch ihre geringe Größe ſicher von denen des Turmfalken. Weiteres über das Brutgeſchäft zu ſagen, erſcheint faſt überflüſſig. Das Weibchen übernimmt wie üblich den hervorragendſten Teil der Kinderpflege; das Männchen beteiligt ſi hierbei jedoh inſofern nach Kräften, als es nicht allein die Gattin füttert und die Jungen großziehen hilft, ſondern, wie es ſ{eint, dann und wann auch jene im Brüten ablöſt. Auf Sicilien nennt man die Jungen Maltafälkchen, weil die Malteſerritter dem Könige Siciliens einen ſolchen Falken unter großein Gepränge als Zoll darbrachten, um dur Überreichung des kleinſten Falken die Abhängigkeit ihrer kleinen, aber tapferen Körperſchaft von dem mächtigen Fürſten der Jnfel anzudeuten.

Überraſchend, aber doh niht gänzlih unglaublih, iſt die Angabe von Saunders, daß unter Umſtänden Turm- und Nötelfalken ſi<h paaren und Baſtarde erzielen, die wiederum fruchtbar ſind. Dieſe Annahme gründet ſi jedoh nux auf die auffallend großen, den größten des Turmfalken gleihkommenden Eier und entbehrt demna<h des Beweiſes.

Gefangene Nötelfalken unterſcheiden ſih au<h im Käfige wenig von ihren nordiſchen Nerwandten. Jhr Betragen und Gebaren ſind im weſentlichen genau dieſelben; ihre Schönheit aber empfiehlt ſie doh ſehr und erregt auch die Aufmerkſamkeit des Unkundigen. Fmmer ſieht dieſer allerliebſte Vogel <mu> und nett aus, ſtets hält er ſein Gefieder in beſter Ordnung, und unter allen Umſtänden iſt ſeine Haltung ſo anſprechend, daß man ihn raſh liebgewinnt. Er gewöhnt ſih bald an ſeinen Pfleger, verträgt ſich mit anderen ſeinesgleichen und beanſprucht bloß ein klein wenig Sorgfalt mehr als unſere Falken, ſoll er im Käfige ſi wohl fühlen, gedeihen und ausdauern. Dieſe Sorgfalt hat ſich zunächſt auf die Wahl der Nahrung zu richten; denn alle kleineren Falken, die Kerbtiere jagen, müſſen auch wie Kerbtierfreſſer behandelt werden. Nohes Fleiſch ohne jegliche Zuthat bringt ſie ſicher um. Vögel mit Federn und kleine Säugetiere mit Haaren reichen, ſhon weil man ſie nicht tagtäglich zur Verfügung hat, ebenfalls noh niht aus; es muß alſo ein ihren Wünſchen und Bedürfniſſen entſprechendes Erſaßfutter geſchafft werden. Jch reihte meinem Pfleglinge ebenſo wie den kleinen Eulen und Notfußfalken ein Miſchfutter, wie man es Kerbtierfreſſern vorſet. Dabei befanden ſich die verhältnismäßig doch ſehr zarten Geſchöpfe anſcheinend ſo wohl, als i< nur wünſchen konnte. Nälhſtdem hat man die Nötelfalken wie andere den Süden entſlammende Gattungsverwandte vor Kälte faſt ängſtlich in aht zu nehmen; denn ſchon die Kühle der Herbſttage fällt ihnen beſ<hwerlih, und wirklihes Froſtwetter tötet ſie ſicher. Sobald kühlere Witterung eintritt, werden ſie verdrießlih, ſträuben das Gefieder, verlieren die Luſt zum Freſſen und ſih zu baden, ſiehen dahin und fallen ſchließlih nach einigen ZuEungen tot von der Sibſtange herab. Bei warmem Wetter dagegen und namentlich dann, wenn ſie in den Morgenſtunden die Wohlthat der unmittelbaren Einwirkung des Sonnenlichtes genoſſen haben, ſind ſie ſtets munter und ihre Augen ſo freundlichklar, daß man ſi über ihren Zuſtand nicht täuſchen kann. Sie ſchreien viel und oft im Käfige, laſſen aber gewöhnlih nur das gedehnte und langſam ausgeſtoßene „Grrii grii grii“, nicht aber: das hellere, fräftigere , Kli kli kli“, das eine wie das andere dem Rufe des Turmfalken: täuſchend ähnliche Laute, vernehmen. Seine Bekannten begrüßt der Nötelfalke ebenſo wie ſein nordiſcher Verwandter immer nur durch die erſterwähnten Rufe.

Da der Nötelfalke ſommerlichem Unwetter Troß bieten, weil ex ziemlih lange hungern fann, beim Überfliegen des Meeres wohl nur ausnahmsweiſe dur<h Stürme gefährdet wird und in der Winterherberge ſtets reich bej<hi>te Tafel findet, vermehrt er ſi allerorten, wo ihm ſein ſ{limmſter Feind, der Men), am Brutplaße niht zerſtörend entgegentritt, in

17*