Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Steinadler: Bewegungen, Angriffe auf Beutetiere. 9269

als gewöhnlich, alle Federn am ganzen Körper glatt angelegt, der Shnabel geöffnet und die Zunge vorgeſtre>t. Man bemerkte bei ihm aber niht nur auffallende Wut, ſondern auh ungewöhnliche Kraftanſtrengung, bei der Kaße das ohnmächtige Streben, ihren überlegenen Feind loszuwerden. Sie wand ſih wie ein Wurm, ſtre>te aber alle vier Füße von ſi< und konnte weder die Krallen noch die Zähne gebrauchen. Wenn ſie zu ſchreien anfing, faßte der Adler mit dem einen Fange weiter und {lug ihn an einer anderen Stelle der Bruſt ein, den zweiten Fang hielt er beinahe unbeweglih um den Rachen geſchlagen. Den Schnabel gebrauchte ex gar niht, und ſo kam es, daß die Katze erſt nah Verlauf von dreiviertel Stunden tot war. So lange hatte der Adler mit eingeſchlagenen Nägeln und ausgebreiteten Flügeln auf ihr geſtanden. FJebt ließ er ſie liegen und ſ<wang ſih auf die Sibſtange. Dieſes lange Leiden der Kaße machte auf mich einen ſolchen Eindruck, daß ich ihm nie wieder eine lebend gab.“ Andere Opfer hauen unter der gewaltigen Klaue des RNäubers viel eher ihr Leben aus, weil ſie weit weniger als die Kaße fähig ſind, Widerſtand zu leiſten.

Aber der Adler wagt ſih au< an noch ſtärkere Tiere; man hakt beobachtet, daß ex ſelbſt den biſſigen Fulhs niht verſchont. „Wehe dem armen Meiſter Neinete““/ ſchildert Girtanner, wohl durchaus richtig, „deſſen Nachtjagd ſ{hle<ht auëgefallen, und der, noh auf Brotreiſen begriffen, in Sicht eines über ihm kreiſenden Adlerpaares ein unbeſorgt ſpielendes Steinhühnervolk auf dem Bauche kriechend überfallen wollte und dabei ſeine Aufmerkſamkeit zu ſehr auf ſeine erhoffte Beute richtete, wenn plößlich mit eingezogenen Schwingen, aber weit geöffneten Fängen der König der Lüfte pfeilſchnell ſeitwärts heranſauſt. Den einen Fang ſchlägt er dem unvorſihtigen Schelme im nälhſten Augenbli>e in die fletſhende Schnauze und macht ſo auch die ſhärſſten Zähne unſchädlich, den anderen begräbt er im Leibe ſeines Opfers, drückt es, durch Flügelſchläge ſich im Gleichgewichte haltend, mit aller Gewalt nieder und beginnt nun, grauſam genug, ſeinen Raub zu zerfleiſhen, noh ehe dieſer ſein Leben ausgehaucht hat.“ Daß ſolher Kampf nicht immer ſiegreih endet, haben wir im 2. Bande, S. 190, geſehen; daß er überhaupt ſtattfindet, dürfte zweifellos ſein und beweiſt ſchlagend den Mut, das Selbſtbewußtſein des mächtigen Vogels. Man übertreibt niht, wenn man behauptet, daß ſich leßteres deutlih ausdrüdt, wenn der Adler mit kühn blißendem Auge, geſträubten Na>kenfedern und halb gelüfteten Schwingen auf ſeiner Beute ſteht und, wie gewöhnlih, ein förmliches Siegesgeſchrei ausſtößt. Er iſt in ſolcher Stellung ein überwältigendes Bild ſtolzer Schönheit und markiger Kraft, deſſen Eindru> ſih niemand entziehen kann.

Vollbewußtſein ſeiner Stärke verleitet ihn zuweilen, ſich ſogar an dem Herrn der Erde zu vergreiſen. Es iſt keine Fabel, wenn erzählt wird, daß er auf kleine Kinder geſtoßen und ſie, falls er es vermotte, davongetragen habe; man kennt ſogar verbürgte Fälle, daß er, ohne durch gerechtfertigte Abwehr oder Verteidigung ſeines Horſtes gezwungen zu ſein, erwachſene Menſchen anfiel. Nordmann erzählt hierfür ein ergößliches Beiſpiel. „Fh erhielt“, ſagt er, „einen Steinadler, deſſen Gefangennahme mit folgenden ungewöhnlichen Umſtänden verknüpft war. Der hungrige und tollkühne Vogel ſtürzte mitten in einem Dorfe auf ein großes umhergehendes Schwein, deſſen lautes Schreien die Dorfbewohner in Bewegung ſette. Ein herbeieilender Bauer verjagte den Adler, der ſeine ſhwere Beute nur ungern fahren ließ, von dem fetten Shweinerüen ſih erhebend, ſogleih auf einen Kater ſtieß und ſi, mit dieſem beladen, auf einen Zaun ſeßte. Das verwundete Schwein und der blutende Kater ſtimmten einen herzzerreißenden Zweiſang an. Dex Bauer wollte nun zwar auch die Kage retten, getraute ſih aber niht, dem grimmigen Vogel unbewaffnet nahe zu treten, und eilte in ſeine Wohnung nach einem geladenen Gewehre. Als aber der Adler ſeinen Mahlzeitſtörer zum dritten Male wieder erblickte, ließ er die Kate fallen, pa>te und klammerte ſi< mit ſeinen Fängen an den Bauer, und nun ſchrieen alle drei, der überrumpelte