Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

270 Zehnte Drdnung: Stoßvögel; erſte Familie: Falkenvögel.

Jäger, das fette Schwein und der alte Kater, um Hilfe. Andere Bauern eilten herbei, paten den Adler mit den Händen und brachten den Miſſethäter gebunden zu einem Freunde von mir.“

Es iſt höchſt wahrſcheinlich, daß mindeſtens der größte Teil der Unthaten, die man dem Geieradler aufgebürdet hat, auf Nehnung des kühnen Adlers zu ſetzen ſind. Jn Spanien wußte man uns von ſeiner Frechheit viel zu erzählen, und ein Steinadler übernahm es, vor unſeren Augen die Wahrheit der Erzählungen zu beſtätigen. Er erhob dicht vor dem Hauſe, in welchem wir uns befanden, einen fetten Puter und trug ihn ſo eilig wie möglich davon. Der Truthahn wurde ihm glü>li< wieder abgejagt, war aber mehr tot als lebendig, “und ih begriff nun wohl die Berehtigung des mix bisher auffallend geweſenen Gebarens der Hühner aller Gebirgsbewohner. Dieſe waren dur die Angriffe des Stein- und des Habichtadlers fo in Furcht geſeßt worden, daß ſie beim Erſcheinen des kleinſten Raubvogels, . B. eines Turmfalken, wie ſinnlos in das Fnnere der ſpaniſchen Bauernhäuſer geſtürzl kamen und hier im Zimmer ihres Herrn ängſtlih Zuflucht ſuchten. Jn allen Gebirgen, welche unſer Adler bewohnt, iſt das Kleinvieh ſtets im höchſten Grade gefährdet. Denn trog der ſchärfſten Achtſamkeit der Hirten ſtürzt er ſih, wenn der Hunger ihn treibt, auf Lämmer und Zi>lein hernieder und trägt ſie angeſichts des viehhütenden Knaben in die Lüfte. Jn der Schweiz wie im Süden Europas iſt den Viehbeſißern kein Vogel verhaßter, keiner auch ſchädigt den Beſtand der Herden in empfindlicherer Weiſe als er. Daß er niht nur die Lämmer unſerer Hausſchafe, ſondern auch die weit größeren der rieſigen Wildſchafe ſchlägt, daß er unter dem Wildſtande des Gebirges ſ{<hlimmer hauſt als ein ſtrenger Winter, dürfte faum în Abrede geſtellt werden können.

Viel zu weitläufig würde es ſein, wenn ich alle die Tiere aufzählen wollte, auf welche der Adler jagt. Unter unſeren deutſchen Vögeln ſind nur die Raubvögel, die Shwalben und die ſchnellen Singvögel vor ihm ſicher, unter den Säugern, abgeſehen von den großen Raubtieren, nur Paar- und Unpaarzeher. Daß er die Jungen der erſteren und lebteren niht verſchont, haben wir eben geſehen; daß er kleine Tiere niht verſhmäht, iſt dur hinlänglichhe Beobachtung feſtgeſtellt worden. Auch für uhnſeren Adler gilt das, was ich im Eingange über die <hmaroßenden Bewohner des Adlerhorſtes ſagte. Jn ſeinem Neſte ſiedeln ſi<h namentli<h Sperlinge an, und ſie wohnen dem Anſchein nach unbehelligt; an gutem Willen, ſie abzuwürgen, fehlt es dem Adler aber niht. Dies beweiſt eine Beoba<htung Naddes, der den Steinadler Lerchen fangen ſah. „Die Kalanderlerhen““, ſagt er, „verfolgten ihn, ſobald er aufflog. Ließ er ſih nun auf der nächſten Erhöhung nieder, ſo fetten ſich die kleinen Vögel auf den Boden und waren gar niht heu. Plößlih aber ſprang der Adler in die Menge von ihnen hinein, griff blizſc<hnell zu und hielt gewöhnlih eine von ihnen als Beute feſt. Aus meines Vaters Beobachtungen geht hervor, daß der Adler ſi<h auch niht ſcheut, einen Jgel anzugreifen, ſo unangenehm deſſen Stachelkleid ihm auch ſein mag. Ebenſowenig als leßteres den Jgel, \{<hüßt die eiſenharte Schale die Schildfrôte vor ſeinen Angriffen. „Die von Plinius erwähnte Sage“, bemerkt Graf von der Mühle, ;,daß Aeſchylos dur eine von einem Adler auf ſeinen kahlen Kopf geworfene Schildkröte erſchlagen worden ſei, entbehrt durhaus niht der Wahrſcheinlichkeit. Denn häufig ergreift dieſer Adler eine Landſchildkröte, erhebt ſi<h mit ihr in die Luft, läßt ſie auf einen Felſen fallen und wiederholt dies ſo oft, bis ſie zerſchellt, worauf er ſih daneben hinſezt und ſie verzehrt.“

Viele Tiere, die durch ihren Aufenthalt Schuß genießen, werden ihm dennoch zur Beute, weil er ſie ſo lange jagt, bis ſie ermattet ſih ihm hingeben. So ängſtigt er Shwimmvögel, die ſih bei ſeinem Erſcheinen dur<h Tauchen zu retten ſuchen, bis ſie niht mehr tauchen fönnen, und nimmt ſie dann ohne Umſtände weg. Er verſhmäht auh niht zu ſhmaroten,