Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Steinadler: Beutetiere. Kröpfen. Fortpflanzung. y DTA

läßt andere Räuber, beiſpielweiſe den Wanderfalken, für ſih arbeiten und zwingt ſie, die eben gewonnene Beute ihm abzulaſſen. Zuweilen nimmt er ſelbſt dem Jäger erlegtes Wild vor den Augen weg. Jn unzugänglichen Felſen in der Nähe von Aſtros in Griechenland hauſte ein Steinadlerpaar, das Graf von der Mühle 4 Jahre nacheinander beobachtete. Unweit des genannten Ortes befindet ſih ein großer Sumpf, in deſſen Mitte ein See liegt, wel< lcßterer im Winter von unzähligen Scharen allerlei Waſſergeflügels bewohnt wird. „Dorthin“, ſo erzählt der Genannte, „begab ih mi< im Winter oftmals auf die Jagd. Dabei ereignete es ſih öfters, daß ein von mir erlegtes Stü weit im Teiche liegen blieb und von meinen Hunden niht geholt wurde, daher dieſen Adlern als Beute anheimfiel. Dies hatten ſie ſich gemerkt und zwar ſo, daß ſie jedesmal, wenn ein Schuß an dieſem Sumpfe fiel, ihre Felſen verließen, über dem See kreiſten und mit unglaublicher Kühnheit mir oft das erjagte Wild vor den Augen wegtrugen, ohne daß ih ſie erlegen konnte.“ Schon aus dieſen Angaben geht hervor, daß der Adler keineswegs immer ſelbſt erworbene Veute erhebt; ih will aber no< ausdrüdlich hervorheben, daß er ſi< au< auf dem Aaſe regelmäßig einſtellt. Allerdings zieht er erſt vor kurzem verendete Tiere ſolchen vor, die bereits in Fäulnis übergegangen ſind, darf jedoh in dieſer Beziehung durchaus nicht als Foſtverähter bezeichnet werden. Unter beſonderen Umſtänden, vielleicht bei großem Hunger, verſchlingt er ſogar Pflanzenſtoffe: Neichenow hat Kartoffeln in ſeinem Magen gefunden.

Die gefangene und getötete oder wenigſtens halb erwürgte Beute wird vor dem Verzehren von dem Adler erſt oberflählih gerupft; nachdem dies geſchehen, fängt er beim Kopfe zu freſſen an, zertrümmert die Knochen und verſpeiſt auch ſie mit, falls ihm erſteres gelang. Bei größeren Vögeln läßt er nur den Schnabel liegen. Nach dem Kopfe wird der Hals verzehrt, ſodann der übrige Körper. Die mit Unrat gefüllten Gedärme verſchmäht, alles Übrige, das er zerbeißen kann, verſhlu>t und verdaut er. Da er wie Habichte und Edelfalken nur kleine Stücke verſchlingt, bringt er mit dem Kröpfen einer halben Krähe etwa 20 Minuten zu Er frißt mit größter Vorſicht, ſieht ſih von Zeit zu Zeit um und lauſcht nach allen Seiten hin. Bei dem geringſten Geräuſche hält er inne, bli>t lange nah der Gegend, von welcher es herkam, und fängt erſt dann wieder zu freſſen an, wenn alles ruhig geworden iſt. Nach der Mahlzeit pußt er ſih den Schnabel ſehr ſorgfältig. Haare und Federn ſind auch ihm dringendes Bedürfnis; ſie ſcheinen zur Reinigung ſeines Magens unentbehrlih zu ſein. Nach vollendeter Verdauung ballen ſie ſi< zu einem Klumpen zuſammen, und dieſen, das Gewölle, ſpeit er aus, gewöhnlich alle 5—8 Tage einmal. Entzieht man ihm Haare oder Federn, ſo würgt er Heu oder Stroh hinab. Knochen, die er ſehr gern mit verſchlingt, werden vollſtändig verdaut.

Der Adler horſtet frühzeitig im Jahre, gewöhnlich ſhon Mitte oder Ende März. Sein Horſt ſteht im Gebirge, wenn auh niht ausnahmslos, ſo doch vorzugsweiſe in großen, oben gede>ten Niſchen oder auf breiten Geſimſen an möglichſt unerſteiglihen Felswänden, in ausgedehnten Waldungen dagegen auf den Wipfelzweigen der höchſten Bäume, iſt daher je nah dem Standorte verſchieden. Wenn er auf einem Baume angelegt wurde, beſteht er regelmäßig aus einem maſſigen Unterbaue von ſtarken Knüppeln, die der Adler entweder vom Boden aufhebt oder, indem er ſi< aus großer Höhe herab auf dürre Äſte ſtürzt und ſie im rechten Augenbli>e mit den Fängen pa>t, von den Bäumen abbricht. Dünnere Zweige bilden den Oberbau, feinere Reiſer und Flechten die Ausfütterung der ſehr flahen Mulde. Ein ſolcher Horſt hat 1,30—2 m, die Mulde 70—80 cm im Durchmeſſer, wächſt aber, da er lange Zeit nacheinander benußt wird, von Jahr zu Jahr, wenn auch niht an Umfang, ſo doh an Höhe, und ſtellt ſo bisweilen ein wahrhaft rieſiges Bauwerk dar. Auf einer ſicheren Unterlage, wie ſie Felsniſchen darbieten, macht der Adler weniger Umſtände. Zwar trägt er auch hier in der Regel große Knüppel zuſammen, um aus ihnen den Unterbau