Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

304 Zehnte ODronung: Stoßvögel; evſte Familie: Falkenvögel.

über einer Stelle, um dieſe auf das genaueſte abzuſuchen oder ein von ihm bemerfktes Tier genauer ins Auge zu faſſen. Angreiſend fällt er mit hart angezogenen Schwingen auf den Boden hinab, breitet dicht darüber die Fittiche wieder, fliegt wohl au<h no< eine kurze Stre>e über dem Boden dahin und greiſt dann mit weit ausgeſtre>ten Fängen nach ſeiner Beute. Bei gewöhnlicher Fagd erhebt er ſich ſeltener in bedeutende Höhe; im Frühjahre aber, und namentli< zur Zeit ſeiner Liebe, ſteigt er ungemein hoh empor und entfaltet dabei Künſte die man ihm kaum zutrauen möchte. „Da, wo er horſtet“, ſagt Altum ſehr rihtig, „iſt er eine wahre Zierde der Gegend. Es gewährt einen prachtvollen Anbli>, wenn die beiden Alten an heiteren Frühlingstagen und auh ſpäter no< ſi< in den ſchönſten Kreiſen über dem Walde wiegen. FJhr lautes und ſchallendes „Hiäh‘“ erhöht noh die angenehme Belebung. Haben ſie ihre Künſte im Fliegen lange genug ausgeſührt, ſo zieht einer die beiden Flügel an und wirft ſi< in laut ſauſendem Sturze hinab in den Wald, und ſofort folgt auh der andere nah.“ Seine Stimme ähnelt dem Miauen einer Kage, und ihr verdankt er ſeinen Namen, da das Wort „Buſe“ ſo viel wie Kate bedeutet, der Buſſard alſo Kaßenaar genannt worden iſt. Unter den Sinnen ſteht das Geſicht obenan; aber auh das Gehör iſt ſharf, das Gejühl fein, der Geſhma> wenigſtens nicht verkümmert und der Geruch vielleiht ausgebildeter, als wir glauben. Die geiſtigen Fähigkeiten ſ<heinen wohl entwickelt zu ſein: ſowohl der frei lebende als auch der gefangene geben oft genug Beweiſe großer Klugheit, Liſt und Verſchlagenheit.

Ende April oder Anfang Mai bezieht der Buſſard ſeinen alten Horſt wieder oder erbaut einen neuen. Er erwählt hierzu einen ihm paſſenden Baum in Laub- oder Nadelwäldern und exrichtet hier, bald höher, bald niedriger über dem Boden, in der Regel möglichſt nahe am Stamme, entweder in Zwieſeln oder in paſſenden Aſtgabeln, den faſt immer großen, mit den Jahren an Umfang zunehmenden Bau, falls er niht vorzieht, ein ihm geeignet erſcheinendes Kolkraben- oder Krähenneſt zu benußen Fn den meiſten Fällen iſt ex nicht allein Baumeiſter für ſi, ſondern auh für viele andere Raubvögel unſeres Vaterlandes. Der Horſt hat ungefähr 60, höchſtens 80 cm im Durchmeſſer und beſteht aus ſtärkeren Zweigen, die nah obenhin immer dünner und zulezt mit großer Sorgfalt ausgewählt zu werden pflegen, ſo daß die flache Vertiefung mit zarten, grünen Reiſern ausgeſ<mücd>t erſcheint. Zuweilen füttert er die Mulde au<h mit Moos, Tierhaaren und anderen weichen Stoffen aus. Das Gelege bilden 3—4 Eier, die auf grünlihweißem Grunde hellbraun gefle>t ſind. Das Weibchen ſcheint allein zu brüten; die Jungen aber werden von beiden Eltern gemeinſchaftlih ernährt.

Dem Vuſſarde ergeht es ungefähr ebenſo wie dem Fuchſe. Feder Übergriff von ihm wird mit mißgünſtigen Bli>en bemerkt, ſeine uns Nuzen bringende Thätigkeit dagegen regelmäßig unterſhäßt. Jn den Augen aller Jäger gilt er als der ſhädlihſte Raubvogel unſeres Vaterlandes und wird deshalb mit förmlicher Erbitterung verfolgt. „Die Buſſarde allein“, ſagt Liebe, „zogen im Jahre 1848 ein ſ{<limmeres Los, alle übrigen Raubvögel dagegen ein beſſeres. Jn dem genannten und nächſtfolgenden Fahre wurde von den Baueru eine große Menge dieſer ſehr unſhädlihen Räuber am Horſte oder im Anſchleichen geſchoſſen und prahleriſh an die Scheunenthüren genagelt, einfah deshalb, weil die armen Burſche zu groß waren, um nicht aufzufallen, zu vertrauensſelig, um dem ihnen bisher ungefährlichen Landmanne zu mißtrauen, und zu plump und zu langſam, um dem Schrotſchuſſe ausweichen zu können.“ Was für die Bauern, gilt auh für viele andere Schießjäger; mindeſtens glaube ih, daß nur die wenigſten von ihnen ſih ein auf eignen Beobachtungen beruhendes Bild der Thätigkeit des Buſſards geſtaltet haben.

Zu den Jägern, die den Buſſard rü>ſihtslos verurteilen, gehört auch ein wohlerfahrener Weidmann: von Meyerin>. „Seit 50 Fahren“, ſchreibt ex mir, „habe ih den