Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

E EA Lip me

Mäuſebuſſard: Weſen. Fortpflanzung. Nüßlichkeit und Schädlichkeit. 305

Buſſard in den wildreihſten Gegenden von Deutſchland vielfah beobachtet und kann mir daher wohl ein ganz beſtimmtes Urteil über ſeine Nüßlichkeit und Schädlichkeit erlauben. Er ſowie ſein Verwandter, der Rauhfußbuſſard, gehören unſtreitig mit zu den ſ{hädlihſten Raubvögeln, und der Schade, den ſie der Jagd thun, ſteht mit dem Nußen, den ſie dem Forſt- und Landwirte bringen, in gar keinem Verhältnis. Die Buſſarde rauben Nehfälber, Haſen, beſonders junge, Faſanen zu allen Fahreszeiten und alte Rebhühner. Jh fann dies dur< Hunderte von Beiſpielen beweiſen, und alle Fagdbeſißer wildreicher Gegenden werden meiner Anſicht beitreten. Jn wildreichen Gegenden ſchlagen die Buſſarde Mäuſe nux ganz beiläufig, genau ebenſo wie der Fuchs, wenn ex lohnendere Beute zur Verfügung hat. Jh wohne gegenwärtig in Schleſien. Jn dieſem Frühjahre gibt es in hieſigen Feldmarken ziemlih viele Mäuſe, ſo daß zwei Menſchen während des April wöchentlich 500 600 Mäuſe auf den Weizen- und Roggenbreiten von etwa 300 Hektar gefangen und abgeliefert haben. Während des ganzen Frühjahrs habe ih noh keinen Mauſer im Felde erbli>t, wohl aber in und am Rande der Waldungen und Feldraine, wo wenige Mäuſe zu bemerken ſind, geſehen. Hier im Kreiſe Neumark ſind innerhalb 14 Tagen 4 Fälle vorgetfommen, daß den Buſſarden junge Haſen, die ſie im Walde geſchlagen und bereits halb verzehrt hatten, abgejagt wurden. Zwei von den Buſſarden konnten dabei erlegt werden und hatten im Magen nur Wildbret von jungen Haſen, aber keine Spur von Mäuſen. Sn meiner Nachbarſchaft hat man dieſelben Erfahrungen gemacht und nicht bloß mit jungen Haſen, ſondern au< mit alten Faſanenhennen. Ein Forſtbeamter hatte ganz kürzlich ein Stoßneß mit einer Taube aufgeſtellt, um einen Hühnerhabiht zu fangen, ſih ſelbſt aber, um zu beobachten, etwa 150 Schritt vom Neßte verſte>t. Statt des erwarteten Habichts erſchien ein Mauſer, ſtieß ſenkre<ht von oben auf die Taube und holte ſie aus dem Netze, ohne daß dieſes zuſhlug. Am folgenden Tage ſtand das Nehß wieder auf derſelben Stelle, und wiederum erſchien wahrſcheinlih derſelbe Buſſard, und nochmals holte er die Taube aus dem Netze, ohne daß er ſih fing. Am dritten Tage wurde das Schlag: ney oben mit Kreuzfäden überzogen und ſo aufgeſtellt. Da fing ſih endlih unſer ſchlauer Räuber. Auch er hatte keine Mäuſereſte im Magen. Jm Jahre 1834, als im Herbſte eine arge Mäuſeplage herrſchte, wurden in jungen Eichenpflanzungen der Oberförſterei Lödderrig, in welchen die Nager ſih überaus ſchädli< erwieſen, täglih gegen 1000 von ihnen in gebohrten Löchern gefangen und getötet; aber auh hier mußte man erfahren, daß ſich die Buſſarde, deren es ziemli< viele gab, nur um die jungen Faſanen kümmerten und äußerſt wenige Mäuſe in den fortwährend beobachteten Eichenpflanzungen fingen. Die auf der Krähenhütte erlegten Mauſer hatten deshalb au<h nur Fleiſh von geſchlagenem Geflügel und ſelten die Überreſte einer Maus in dem Magen. Bei ſol< einem argen Mäuſefraße fommt es gar nicht in Betracht, was die Buſſarde an Mäuſen vertilgen, und die Menſchenhand fann in furzer Zeit hundertmal mehr leiſten. Mehrfach ſind mir Fälle vorgekommen, daß Mauſer junge Rehkälber geſchlagen hatten und auch dabei erlegt wurden. Seit langen Fahren habe ih alljährlih in der Brunſtzeit der Rehe auf verſchiedenen Revieren geblattet. Wiederholt iſt es mir dabei geſchehen, daß Buſſarde, wenn ih einigemal geblattet hatte, diht vor mir auf 8—10 Schritt aus der Luft mit großer Schnelligkeit herunterſtießen und mit ausgebreiteten Flügeln wild umherſchauten, in der Hoffnung, hier ein Rehkalb erbeuten zu können. Die mich bei der Jagd begleitenden Forſt- und Jagdbeamten hatten dieſelbe Erfahrung ſhon öfters gemacht. Jh bemerke hierzu no<, daß ih vor Beginn des Blattens niemals einen Buſſard in meiner Nähe wahrgenommen hatte; ſie mußten alſo das „Fipen“ oder Blatten mindeſtens 300 Schritt weit von mir wahrgenommen haben. Daß Rebhühner im Winter bei Schnee und Faſanen an den Futterpläßen von Buſſarden ſehr häufig geſ<lagen werden, können alle Jäger, welche dergleichen Jagden beaufſihtigen, beſtätigen. Brehm, Tierleben. 3. Auflage. VI. 20