Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

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Mäuſebuſſard. Schlangenbuſſarde. 307

Mäuſebuſſard ſehr gefährlich, wenn freilich au< nur aus Not. Mein Faſanenjäger hat während dieſer Zeit 7 von ihnen in Tellereiſen gefangen, nachdem er vorher jeden von ihnen ein Huhn hatte ſchlagen ſehen. Dieſes jagte er ihm ab, legte das Eiſen auf dieſelbe Stelle und darauf dasſelbe Huhn, worauf gewöhnlih nach einer Stunde der Dieb im Eiſen ſaß. Dhne Auſſicht hätten die 7 Buſſarde unter meinen Hühnern auf dem Futterplaße arg aufgeräumt. Deshalb iſt meine Anſicht, im Sommer laſſe man ihn fliegen, im Winter ſchieße man ihn, wo man ihn trifft.“ Vom Standpunkte des Jägers aus mag dieſe Auffaſſung als gerechtfertigt gelten; anders aber verhält es ſich, wenn man den Standpunkt des Forſtz und Landwirtes berü>ſihtigt und in Erwägung zieht, daß beide doh wohl noh mehr als der Jäger berechtigt ſind, über den Nußen und Schaden eines Tieres zu urteilen. Thun ſie es unbefangen, ohne Rückſicht auf die Jagd, dann ſteht die vorwiegende Nüßlichkeit des Buſſards unantaſtbar feſt, und da nun der Naturforſcher offenbar den Standpunkt deſſen zu vertreten hat, der ſich beſtrebt, dem nußbaren Boden den höchſten Ertrag abzuringen, halte ih auch jeßt no< an meiner früher ausgeſprohenen Meinung feſt.

Obwohl mir die von Meyerin> dem Buſſarde zugeſprochene Fähigkeit oder doh Abſicht, unter Umſtänden auch ein Rehkalb zu ſ{hlagen, niht glaublih erſcheinen will, muß ih doh zugeſtehen, daß unſer Vogel zuweilen, gerade als ob er ſinnlos wäre, ſich auh auf Tiere ſtürzt, denen er nihts anhaben kann. „Fm Fahre 1863“, ſchreibt mir Liebe, „ſtieß ein Mäuſebuſſard an einem trüben Herbſttage auf einem Feldwege bei Hohenlauben auf einen Zugoſen und hakte ſih auf dem Rücken des erſchre>ten Tieres ſo feſt ein, daß ihn der Bauer mit dem Peitſchenſto>e totſhlagen konnte. Beſagter Buſſard war wohl toll vor Hunger. Denn daß dieſer auf die Raubvögel merkwürdig einwirkt, bereiſt das Beiſpiel eines Sperbers, der, eben gefangen , im Zimmer ſi auf meinen Vogelbauer ſtürzte.“

Um den Buſſarden, die ih auf unſeren Fluren nicht miſſen möchte, no< einige Freunde zu werben, will i< no< ausdrüdli<h hervorheben, daß der oft ſo falſch beurteilte und geſ<hmähete Vogel einer der wirkſamſten Vertilger der Kreuzotter iſt. Lenz hat die umfaſſendſten Verſuche angeſtellt, um ſi< hierüber zu vergewiſſern, und rühmt unſeren Vogel in außerordentlicher Weiſe. Um die Gefährlichkeit der Kämpfe des Buſſards mit Vipern zu würdigen, muß man wiſſen, daß er nicht gefeit iſt gegen das Gift der Kreuzottern, ſondern den Biſſen des tückiſchen Kriechtieres erliegt, wenn dieſe einen blutreihen Teil des Leibes getroffen haben. Es mag allerdings ſelten vorkommen, daß der Raubvogel nicht als Sieger aus dem Kampfe hervorgeht; einzelne aber finden gewiß ihren Tod in dem Kampfe mit Kreuzottern. So erfuhr Holland eine wirklih rührende Geſchihte von einem ihm befreundeten glaubwürdigen Forſlmanne. Dieſer hatte einen Buſſardhorſt erſtiegen, weil der Vogel, den er von unten ſchon geſehen, niht abgeflogen war. Als er nun zum Horſte fam, bemerkte er, daß der Buſſard niht mehr lebte. Er nahm ihn in die Höhe und ſah zu ſeinem niht geringen Schre>en eine lebende Kreuzotter unter dem Buſſarde liegen. Dieſer mußte alſo die Schlange in den Horſt getragen, einen Biß von ihr empfangen haben und daran verendet ſein.

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Der Leib der Shlangenbuſſarde oder Shlangenadler (Circaëtus) iſt geſtre>t, aber kräftig, der Hals furz, der Kopf ziemlih groß, der Schnabel ſtark, von der Wurzel an gekrümmt, ſeitlih etwas zuſammengedrüd>t, mit langem Haken und geraden Schneiden, der Fuß hoh, mit einem wahren Panzer von Schilden umgeben, ſehr furzzehig und nit furzen, gekrümmten und ſpißigen Nägeln bewehrt, der Flügel breit und lang, die dritte oder vierte Schwinge über die übrigen verlängert, der Shwanz mittellang, breit und gerade abgeſchnitten. Die großen und langen Federn liegen lo>er an und ſpigen ſih an Kopf und Na>en wie bei den Adlern zu.

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