Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 2/3

Seeadler: Aufenthalt. Wanderungen. Ruhepläße. 319

der Oſtſee her zugewandert, um ſich in der Leblinger Heide ſatt zu fröpfen, zutreffend iſt/ bin vielmehr der Meinung, daß ſie um die angegebene Zeit ſih auf dem Zuge befanden, von der Höhe, in welcher ſie dahinflogen, die ihnen winkende Beute bemerkten und ſi allmähli<h ſ{<arten, ganz wie Geier unter ähnlichen Umſtänden zu thun pflegen. Von unſeren deutſchen Küſten werden die Seeadler allerdings niht in jedem Winter vertrieben; diejenigen aber, welche öſtlih vom Varangerfjord am Eismeere, in Lappland oder Nordrußland horſten, müſſen notgedrungen auswandern, wenn ihr Jagdgebiet ſich mit Eis oder ungewöhnlih hoh mit Schnee bede>t, und ſie ſind es dann auh, die einesteils längs der offenen Küſten, andernteils mitten dur das Land längs der Flüſſe nach Süden hin fliegen und ſi< in Südeuropa oder Nordafrika während des Winters denjenigen geſellen, welche hier wie da jahraus jahrein an den Küſten leben. Aufmerkſame Beobachtung ergibt wenigſtens für Griehenland und Nordägypten, daß während des Winters die Seeadler weit häufiger ſind als im Sommer.

Alte Seeadler entſchließen ſi ungleich ſeltener als junge zum Wandern, einmal, weil ſie ihren Stand ungern verlaſſen, und ebenſo, weil ſie ſih in ihrem Räubergewerbe beſſer ausgebildet haben als jene. Sie wandern ſelbſt niht immer in Rußland oder anderen nordiſchen Binnenländern aus, ſondern nähern ſih im Winter einfah den Ortſchaften, lungern und hungern in deren Nähe, bis ihnen Beute wird, ſei es das Aas eines Haustieres oder ein Hund oder eine Kate, ein Ferkel, Bö>lein oder Zi>lein, Huhn oder Truthuhn, eine Gans oder Ente. Bei uns zu Lande verweilen ſie, wenn ſie die Küſtenwälder wirkli verlaſſen, an großen Landſeen und beſchäftigen ſi fleißig mit Fiſh- und Waſſergeflügeljagd, bis die Seen zufrieren, kehren hierauf vielleicht no<hmals an die See zurü> und treten erſt dann eine weitere Reiſe an, wenn keins ihrer gewohnten Jagdgebiete mehr Beute gewähren will. Wie übrigens ein Seeadler au< wandern möge: eine Waſſerſtraße verläßt er wohl nur im ärgſten Notfalle. Soviel mix bekannt, wird der alte wie der junge Vogel bloß ausnahmsweiſe einmal auh in waſſerärmeren Gegenden, namentli in Gebirgen, erlegt, obgleich es keinem Zweifel unterliegen kann, daß er ſolche überfliegt. Noch viel ſeltener dürfte es vorkommen, daß im Binnenlande, fern von Gewäſſern, ein Seeadlerpaar wohnen bleibt, das heißt ſeinen Horſt auf einem der höchſten Väume des Waldes gründet. Er meidet die Steppe nicht, entſchließt ſi< im ſüdlichen Rußland ſogar, in ihr zu horſten, ſiedelt ſi< aber nux in der Nähe eines Stromes an.

Außer der Brutzeit lebt der Seeadler ziemlih geſellig, mehr nah Geier: als nah Adlerart. Ein günſtig gelegener Wald oder Felſen wird zum Vereinigungs- oder Schlaſplaße. Jm Hochſommer übernachtet er gern auf kleinen Fnſeln, namentlich auf den Schären, im Küſten- oder Binnenwalde auh auf hohen Bäumen und dann regelmäßig auf den unteren Wipfeläſten, ſo daß er in dihteren Baumkronen faſt verde>t ſißt. Feſſelt ihn reichliche Beute in der Nähe, ſo hält er an ſolchen Schlafpläßen beinahe mit derſelben Zähigkeit feſt wie am Horſte, findet ſi allabendlih ein und läßt ſich au<h dur< wiederholte Störungen nicht vertreiben. Er geht ſehr ſpät zur Ruhe und fliegt am frühen Morgen, meiſt ſhon vor Aufgang der Sonne, davon, um ſein Jagdgebiet zu durchſtreifen. Findet er bald Beute, ſo fröpft er in den Vormittagsſtunden und ruht, nahdem er den Schnabel gepußt und getrunken, über Mittag einige Stunden“ aus, neſtelt im Gefieder, ſ<läft au<h wohl ein wenig und tritt des Nachmittags einen zweiten Jagdzug an, bis die Zeit zum Schlafen herangekommen iſt.

Wie der Steinadler, jagt auh der Seeadler auf alles Wild, das er überwältigen kann, und macht außerdem von ſeinen unbefiederten, das Fiſchen erleihternden Fängen umfaſſen: den Gebrauh. Den Jgel {hüßt ſein Stachelkleid ebenſowenig wie den Fuchs ſein Gebiß, der Wildgans nüßt ihre Vorſicht niht mehr als dem Tauchvogel ſeine Fertigkeit, unter