Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

Blindſchleiche: Verbreitung. Leben8weiſe, Bewegungen. 107

boten. Die Höhlungen graben ſih die Tiere ſelbſt aus und zwar dur bohrende Bewegungen mit ihrem Kopfe. Mitunter findet man ſie in ganz engen Löchern 7—30 em tief unter der Erde, mitunter in einem gegen 1 m langen, gekrümmten Stollen, der von innen mit Gras und Erde verſtopft wurde, hier dann gewöhnlih au< 20—80 Stü bei einander, alle in tiefer Erſtarrung, teils halb zuſammengerollt, teils ineinander verſ<hlungen, teils gerade geſtre>t. Zunächſt am Ausgange liegen die Jungen, auf ſie folgen immer größere Stücke, und zu hinterſt haben ein altes Männchen und Weibchen ihr Winterbett aufgeſchlagen. Einmal fand Leydig auch eine Glatte Natter, die Todfeindin aller ſchwächeren Echſen, in der Winterherberge der Blindſchleichen. Alle liegen bei kaltem Wetter regungslos, als ob ſie ſhlaftrunken wären, ermuntern ſi aber, wenn man ſie allmählich in die Wärme bringt. 20 Stü>, mit welchen Lenz Verſuche anſtellte, waren bei 1,5—2 Grad Celſius ziemlich ſteif, rührten ſi< aber doh noh, wenn ſie angegriffen wurden; einzelnéè krochen auch, nachdem ſie wieder in ihre Kiſte gelegt worden waren, langſam umher. Alle hatten die Augenlider feſt geſchloſſen, und nur zwei öffneten ſie ein wenig, während ſie in die Hand genommen wurden, die anderen ſchloſſen ſie ſofort wieder, wenn man ſie ihnen gewaltſam öffnete. Als ſich die Wärme bis auf 3 Grad unter Null vermindert hatte, lagen alle ſtarr in der ſie ſhüßenden Kleie; feine einzige aber erfror, während mehrere echte Schlangen, die denſelben Aufenthalt zu teilen hatten, der Kälte erlagen. Bei noch härterem Froſte gehen jedo<h auch die Blindſhleichen unrettbar zu Grunde. Zm Frühlinge erſcheinen ſie bei gutem Wetter bereits um Milte März.

Die Nahrung der Blindſchleiche beſteht faſt ausſ<ließli< in Na>tſchne>en und Regenwürmern; nebenbei nimmt ſie auch glatte Naupen zu ſi, iſt aber außer ſtande, irgend ein ſchnelleres Tier zu erbeuten. An einer gefangenen beobachtete Lenz, daß ſie ſih dem ihr vorgeworfenen Wurme ſehr langſam nähert, ihn meiſt erſt mit der Zunge befühlt, ſodann langſam den Rachen aufſperrt und das Opfer endlich pat. Der Wurm windet ſich nach Leibesfkräften; ſie wartet, bis er ſih etwas abgemattet hat und verſhlu>t ihn dann nah und nath, den Kopf bald re<ts, bald links biegend und ſo mit den Zähnen vorwärts greifend. An einem einzigen Regenwurme, den ſie verſhlu>t, arbeitet ſie 5—6 Minuten, hat auch an einem oder zwei mittelgroßen für eine Mahlzeit genug. Waſſer trinkt ſie ebenſo oft und in gleicher Weiſe wie die Eidechſen.

Es mag ſein, daß ſie bei Tage ein ihr vor das Maul kommendes Beuteſtü> ergreift und hinabwürgt; in der Regel aber geht ſie erſt in der Dämmerung auf Fagd aus. Am Tage liegt ſie, wie andere Kriechtiere, ſtundenlang im Sonnenſchein, gewöhnlich den Kopf auf den Boden geſenkt, ſi<h behaglich der ihr wohlthuenden Wärme hingebend. Doch zeigt ſie ſich an heißen, tro>enen Tagen ſelten oder niht, wogegen ſie ſofort erſcheint, wenn Regenwetter im Anzuge iſt. „Wenn ſie“, ſagt Leydig, „ſchon in aller Frühe herumkriecht, deutet es entſchieden auf eine Veränderung der Atmoſphäre zum Regen.“ Auch V. Gredler bezeichnet ſie als einen zuverläſſigen Wetteranzeiger und bemerkt, wahrſcheinlih mit vollſtem Rechte, daß ihr Erſcheinen unmittelbar vor oder während eines Witterungswechſels mit dem gleichzeitigen Höhengange der Regenwürmer, ihrer Lieblingsnahrung, im Zuſammenhange ſtehen möge.

Die Bewegungen der Blindſchleiche ſind langſam und weder denen der Eidechſen, noch denen der Schlangen ähnlih. Da nämlich, wie Leydig bemerkt, die Haut dur wirkliche Kalftafeln gepanzert iſt, ſo geſchehen ihre Bewegungen nicht in kurzen Wellenlinien, wie ſolches bei den Schlangen in hohem Maße eintreten kann, ſondern unter gewöhnlichen Umſtänden auf dem Boden in weiteren Biegungen. Nur wenn ſie ſi< im Steingeröll und Pflanzengewirr durchzudrücen hat, vermag ſie engere Krümmungen anzunehmen; auch dieſe aber haben etwas Starres an ſich, re<t im Gegenſaße zu denen der Schlangen. Bergab