Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 3

130 Erſte Unterordnung: Eidechſen; zehnte Familie: Ringelechſen.

ſi nähert, überfallen und dur< ihre Anzahl und Kraft ſelbſt Schlangen von mehr als Meterlänge und Säugetiere von der Größe eines Eichhörnchens bewältigen und töten. Welchen Grund dieſe Vereinigung hat, iſt no< niht nachgewieſen. Gewiß ziehen der Gaſt und die Hausherren gleih große Vorteile aus ihrem Zuſammenleben; ſonſt würde es nicht ſo allgemein und ungeſtört vorkommen. Übrigens enthält weder jeder Wanderameiſenhaufe eine Blindechſe, no< lebt jede Blindechſe in einer Ameiſenſiedelung: i<h habe Doppel{leihen wiederholt auh aus ſeichten, wie mir ſcheint, ſelbſtgegrabenen Löchern in Kaffſeepflanzungen erhalten. Soviel mir bekannt, werden die Tiere vorzüglih in ſehr alten Siedelungen, entweder in dem großen Haufen der von den Ameiſen aus ihren Bauen heraufbeförderten Erde oder in einem feuchten oberen, äußerſt ſelten dagegen in einem tieferen Gange gefunden. Hier legen ſie au< ihre Eier ab. Wird ein Haufe der Ameiſen ausgeräuchert, wie es zur Abwehr dieſer furhtbarſten Feinde der Landwirtſchaft zu geſchehen pflegt, ſo ergreifen jene, ſobald die Wirkung des Blaſebalges beginnt, ſchleunigſt die Flucht.“

Die Bewegungen dieſer Tiere ſind ſonderbarer Art, und daher mag wohl auch die in Südamerika allgemein herrſchende Anſicht entſtanden ſein, daß ſie vor- und rü>wärts kriechen fönnten. „Diejenigen von ihnen, welche ih fand“, ſagt der Prinz von Wied, „bewegten ſi< kaum, bevor man ſie anſtieß, und dann etwa wie ein Regenwurm, was au ein Beweis für ihr ſ{<hwaches Geſicht zu ſein ſheint.“ So langſam ſie kriechen, ſo geſhi>t wühlen ſie, wobei ihnen der große Nüſſelſhild weſentliche Dienſte leiſten mag.

Über die Fortpflanzung dieſer Art iſt man no< niht im klaren. Die Eingeborenen behaupten, im Gegenſaße zu Tſchudi, daß ſie lebendige Junge zur Welt bringe; aber dieſe Leute erzählen ſo viel über dieſe Tiere, daß man Fabel und Wahrheit niht unterſcheiden kann. Fn den Augen der Südamerikaner gelten die harmloſen Doppelſchleihen für äußerſt giftige, aber auh wiederum für ungemein heilkräſtige Geſchöpfe. Möglich, daß die Erſaßfähigkeit der Kriechtiere überhaupt und vielleicht dieſer Schleichen insbeſondere ſie auf den Gedanken gebraht hat, ein derartiges Geſchöpf müſſe bei Verwundungen gute Dienſte leiſten: kurz, ſie ſind der feſten Überzeugung, daß das Fleiſch der Doppelſchleichen, gedörrt und zu feinem Pulver geſtoßen, unfehlbar wirke bei Knochenbrüchen, tiefen Wunden und dergleichen. Doch ſcheint es nicht, als ob man den koſtbaren Arzneitieren deshalb beſonders eifrig nacſtelle und ſi dergeſtalt ſtets in den Beſiß ihrer Wunderkraft ſeße; man ſpricht auh in dieſem Falle mehr, als man handelt.

Wirklich gefährliche Feinde haben die Doppelſchleihen wahrſcheinlih nur in anderen Kriechtieren, namentlich in Giftſchlangen, denen ſie zum Opfer fallen, wenn ſie fih nachts aus ihren unterirdiſhen Wohnungen herauswagen, oder wenn ſie infolge von Überſ<hwemmungen das ſchüßende Erdreich verlaſſen müſſen. Bates nahm einſt ein vollkommen erhaltenes Stü> aus dem Leibe einer Schararaka, die niht viel größer war als das verſhlungene Opfer. Auch G. A. Boulenger berichtet über eine Doppelſchleichhe (Lepidasternum), die teilweiſe von einer braſiliſhen Prunkotter (Elaps) verſhlungen worden war, ihrerſeits aber ſih zum Teil durch den Körper der leßteven hindurchgeſtemmt hatte; die Öffnung, aus welcher der Amphiſbänenkopf hervorragte, war 7,5 em von der Schnauze der Schlange entfernt. Beide Tiere hatten bei dieſer Gelegenheit ihr Leben eingebüßt.

Eine zweite, im tropiſchen Südamerika und in Weſtindien verbreitete Art derſelben Gattung iſt die Gefle>te Doppelſchleihe (Amphisbaena fuliginosa, flaya, magnifica, varia, vulgaris und americana), von welcher wir S. 131 eine Abbildung geben. Sie unterſcheidet ſi< von der vorigen dadur<h, daß jeder Ring in der Körpermitte weniger als 60 Felder aufweiſt, und daß bei ihr die mittleren Bauchfelder nicht länger ſind als breit. Auch ihre Färbung iſt weſentlich verſchieden. Während die Fbijara nahezu einfarbig