Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 4, S. 433

Zitteraal: Verbreitung. Gebaren. Nahrungserwerb. Fortpflanzung. 393

die Eingeborenen erkennen daher das Vorhandenſein eines Zitteraales gerade an dieſem deutlih vernehmbaren Atemſchöpfen. Mit Eintritt der Dunkelheit beginnt unſer Fiſh ſich zu regen und zu jagen. Seine elektriſche Batterie ſtempelt ihn zu einem weit furhtbareren Feinde ſeiner beſhuppten Klaſſengenoſſen, als der gefräßigſte Raubfiſch es iſt. Er frißt alle für ihn verſhlingbare Beute, die in das von ihm bewohnte Gewäſſer gerät, Fiſche wie Krabben oder in das Waſſer fallende Kerbtiere. Unter wellenförmig ſ{<längelnden Bewegungen ſeiner weihhäutigen, dem Kiele eines Schiffes vergleichbaren Afterfloſſe und mit Unterſtübung ſeiner kurzen Bruſtfloſſen ſchwimmt er entweder geradeaus oder in ſanftem Bogen dahin, zierlicher als irgend ein anderer Fiſh und mit gleiher Meiſterſchaft rü>wärts wie vorwärts, indem er die Wellen auf erſtgenannter Floſſe ebenſogut von hinten nah vorn wie von vorne nah hinten laufen laſſen kann. Jn der Nähe eines von ihm verfolgten Opfers angelangt, entladet er einen ſeiner lähmenden Schläge, und deſſen Wirtung iſt ſo heſtig, daß einen Augenbli> ſpäter alle Fiſhe und Krabben innerhalb des Bereiches jenes Schlages ſofort umgewendet und regungslos umhertreiben. Nunmehr wählt er ein ihm zuſagendes Opfer und verſhlu>t es mittels einer heftigen Saugbewegung, die ein deutlihes Geräuſch hervorruft. Mit Beginn der Tro>kenheit wühlt er ſi, wie au Bates beobahtete, tiefe, runde Löcher in den Schlamm, indem er ſih beſtändig im Kreiſe herumdreht. Jn dieſe Löcher zieht er ſih zurü>, wenn das Waſſer ſeines Wohnortes zu verſiegen droht, und es ihm niht möglih war, rechtzeitig abzuziehen. Leßteres thut er, falls er kann, jedesmal; denn er iſt nicht befähigt, über Land zu wandern, niht einmal im ſtande, im feuhten Schlamme zu entrinnen, geht vielmehr ebenſogut wie andere Fiſche zu Grunde, wenn er von anderen Tümpeln abgeſchnitten wurde.

Über die Fortpflanzung konnte Sachs ebenſowenig wie ſeine Vorgänger Beobachtungen anſtellen oder ſammeln. Als bemerkenswert hebt er hervor, daß die Zitteraale die Neigung haben, unter Umſtänden je nah dem Geſchlechte ſich in Banden zu vereinigen; einmal wenigſtens fing unſer Gewährsmann nur Männchen, ein andermal aus\<ließli<h Weibchen. Bei leßteren fand er im Februar reife Eier von 1—2 mm Durchmeſſer vor. Sachs ſpricht die Vermutung aus, daß dieſe zeitweilige Abſonderung der Geſchlechter in Beziehung zum Laichgeſchäfte ſtehen möge; es iſ jedo<h niht recht einzuſehen, inwiefern dies der Fall ſein fönnte, falls niht die Angabe der Eingeborenen Guayanas, der Zitteraal bringe lebendige Junge zur Welt, troß des Befundes von Sachs denno<h auf Wahrheit beruht.

Von den Eingeborenen wird der Zitteraal gefürchtet und gehaßt. Das ungemein grätenreihe Muskelfleiſh ſ<me>t zwar niht beſonders gut, jedoch auh niht ganz ſ{le<t; das elektriſche Organ aber iſt ſ<mierig und hat einen unangenehmen Geſchma>; man ſondert es daher vorſichtig von dem übrigen ab und wirft es weg. Um fo ſorgſamer bewahrt man die Wirbelſäule des Fiſches auf; denn ihr oder vielmehr einem aus ihr bereiteten Pulver ſchreibt man geburtbefördernde Wirkungen zu und verfehlt nie, bei ſchweren Entbindungen ſih dieſes Mittels zu bedienen. Gehaßt wird der Zitteraal, wie A. von Humboldt uns belehrt, weil man es ihm vorzüglich zuſchreibt, daß die Sümpfe und Teiche der Llanos ſo fiſharm ſeien. Ein Zitteraal tötet viel mehr Fiſche, als ex verzehrt. Die Fndianer erzählen, wenn man in ſehr ſtarken Nezen junge Krokodile und Zitteraale zugleich fange, ſo ſei an den Aalen doh nie eine Verlebung zu bemerken, weil ſie die Krokodile lähmen, ehe dieſe ihnen etwas anhaben können. Alle Bewohner der Gewäſſer fliehen die Geſellſchaft dieſer Fiſche: Eidechſen, Schildkröten und Fröſche ſuchen Sümpfe auf, wo ſie vor ihnen ſicher ſind, ebenſo verſuchen \ie ſo eilig wie mögli<h aus der gefährlihen Nachbarſchaft zu entrinnen, wenn man ſie zu gefangenen Zitteraalen bringt. Au<h Sachs fand in einem Tümpel einzig und allein Zitteraale, keinen anderen