Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, S. 763
Allgemeines. Leben3weiſe, 683
Die Skorpione halten ſih wie die Tauſendfüßer unter Steinen, im faulen Holze, in Mauerlöchern und ähnlichen dunkeln Verſte>en auf; da ſie aber die Wärme ungemein lieben, ſo dringen ſie auh häufig in die menſhlihen Wohnungen ein, verkriechen ſih in die Vetten, in Kleider und Fußbede>ung, welche ſie vorfinden. Wenn eine Reiſegeſellſchaft beim Übernachten im Freien das unentbehrlihe Feuer angezündet hat, erſcheinen außer anderen nächtlihen Gliederfüßern immer au<h Skorpione, deren man ſich auf die eine oder andere Art zu erwehren hat. Auf dieſe Weiſe oder bei gewiſſen Beſchäftigungen im Freien kann ihnen der Menſch unbemerkt zu nahe kommen, und dann pflegt ein Stich ihrerſeits unvermeidlih zu ſein, denn ſie meinen ſih verteidigen zu müſſen. Der Stich iſt ungemein ſ{<merzhaft und brennend, erzeugt örtliche Entzündung, Lähmung, Fieber, Ohnmacht und Übelkeit, je nah der Größe des Tieres, durch welche ein kräftigerer Stich und mehr Gift bedingt wird, je nah der Reizbarkeit des Verwundeten und je nah den Witterung®verhältniſſen der Gegend ; denn bekanntlich nehmen alle Entzündungen in heißen Ländern einen bösartigeren Charakter an als in gemäßigten Gegenden. Die europäiſchen Arten verwunden am ſ{wä<hſten, die afrikaniſchen und aſiatiſchen, vielleiht wegen ihrer bedeutenderen Größe, am heftigſten. Sonſt pflegte man das ſogenannte Skorpionöl, Olivenöl. worin man einige Skorpione hat ſterben laſſen, zum Beſtreichen der Wunde zu verwenden, und man verwendet es da noh, wo Hausmittel überhaupt mehr als ärztliche Verordnungen gelten. Alfaliſhe Heilmittel, wie Ammoniak, Tabaksaſche, lindern den Schmerz und die Geſchwulſt am beſten, wie eine geringe Gabe von Jpecacuanha die Übelkeiten. Die Eingeborenen Afrikas, welche weit und breit vom Stiche des Felſenſkorpions (Scorpio afer) zu leiden haben, legen eine Binde feſt um die Wunde und ſih ſelbſt als Kranke nieder, bis fie ſi< wieder wohler fühlen. Merkwürdig iſt die Erfahrung, daß ſich der menſhlihe Organismus mit der Zeit an das Gift des Skorpions gewöhnt. Eine zweite Verlegung wirkt weniger heftig und nachhaltig als die erſte und eine dritte abermals ſ<wächer als die zweite. Es wird erzählt, das jemand, der dieſe Erſcheinung an ſich ſelbſt abprobieren wollte, es bald dahin brate, daß er nur den dur den Stich verurſachten, vorübergehenden Schmerz und nichts weiter empfand.
Zn einem anderen Verhältnis ſtehen die Skorpione zu Fnſekten aller Art und Spinnen, ihrer Lieblingsſ\peiſe, welchen ſie auf ihren nächtlihen Beuteumzügen begegnen. Sie laufen dabei ſehr ſhnell und gewandt, manchmal auch ſeitwärts und rüd>wärts, halten den Shwanz nach oben und vorn über den Rücken gebogen, um jederzeit die Waffe zum Stoße bereit zu haben, und ergreifen von dieſen Tieren mit ihren Scheren, was ſich greifen läßt. Hierauf wird die Beute trot allen Zappelns und Widerſtrebens emporgehoben, mit den nach oben gerihteten Augen beſehen und durch einen ſicheren, von hinten kommenden Stich in die Bruſt widerſtandslos gemacht. Einige krampſhafte Zu>kungen, und das Opfer iſt tot; es wird nah dem Maule geführt und ausgeſogen und unter Umſtänden auch zerkleinert und vollſtändig verzehrt.
Die Skorpione leben vorzugsweiſe in heißen Ländern und in den wärmeren Teilen der gemäßigten Erdſtriche; viel weiter als bis zum 45. Grade nördlicher Breite dringen ſie niht vor, ſo daß ſie im nördlichen Deutſchland gänzlich fehlen.
Eine der gemeinſten ſüdeuropäiſchen, in Frankreich, Spanien, der Berberei, überhaupt in allen Mittelmeerländern lebenden Arten, der Feldſkorpion (Buthus occitanus, Abbild. S. 684), möge ſtatt aller den nicht zu verkennenden Körperbau der Familienglieder vergegenwärtigen. Die beiden großen Krebsſcheren ſtellen die Taſter des Unterkiefers, ihr turzes, dides Grundglied, welches von obenher unſichtbar bleibt, dieſen ſelbſt vor. Das zweite Kieferpaar erſcheint als vorderſte Beine, deren plattenartige Hüfte nebſt der des folgenden, e<ten Beinpaares einen Fortſaß na< vorn als Unterlippe entſenden. Dieſe beiden erſten