Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, S. 770
690 Erſte Ordnung: Gliederſpinnen; fünfte Familie: Afterſpinnen.
welche in eine einfache Klaue auslaufen. Zwiſchen dem die Kinnladen bildenden Wurzelteil beider Arme ſteht ein beweglicher Kinndorn, die Kieferfühler enden gleihfalls in eine einfache Klaue und bergen wahrſcheinlich die Giftdrüſen. Am beinahe nierenförmigen Kopfbruſtſtü> verteilen ſi< die Augen, wie die vergrößerte Figur zwiſchen den Geißeln anzeigt. Dadurch, daß der elfgliederige Hinterleib vorn eingeſhnürt iſt, entſteht die Spinnenähnlichkeit in der Körpertrachht. Die Phrynen atmen jedo< gleihfalls dur< Lungen, welche an der Bauchwurzel in vier Luftlöcher münden, und die Weibchen gebären lebendige Junge, wodurch ſih die nähere Verwandtſchaft mit den Skorpionen bekundet. Bei der hier abgebildeten fahl braungelben Art, welche in Surinam lebt, iſt der Schenkelteil der Scherenarme bedeutend länger als der entſprehende an den Beinen und unbewehrt, der Schienenteil faſt ebenſo lang und vor der Spize mit drei ſehr langen Dornen verſehen. Unbegreiflicherweiſe bildet Gervais dieſe Art unter dem Namen Phrynus reniformis ab und verweiſt dabei auf eine andere Abbildung von Herbſt, welche aber bewehrte Arme -hat und der ſeinigen niht im entfernteſten ähnlich ſieht. Unſere Art wurde 1872 lebend in der Shrammſchen Farbenfabrik bei Offenbach aufgefunden, wohin ſie aus San Domingo mit Blauholz eingeſ<hleppt worden war. Die anderen Arten unterſcheiden ſi hauptſächlich durch die Bildung der kürzeren, ſtärker bedornten Arme der Kiefertaſter und erſcheinen der kräftigen Dornen wegen no< drohender. Der Zahl nach ſind es etwa 20, die man auf vier Gattungen verteilt hat.
Die Phryniden und Telyphoniden hat man mit den fühlerartig verlängerten Vorderbeinen, den Klauenkiefern und dem 11—12gliederigen Hinterleib als gemeinſamen Mertmalen zu einer Drdnung, den Sktorpionſpinnen oder Geißelſkorpionen (Pedipalpi), zuſammengefaßt.
Wenn die bisher beſprochenen Spinnentiere faſt ausſ<ließli<h nur dem Südländer und den Bewohnern heißer Erdſtrihe im Freien zu Geſicht kommen und als Nachtwandler au< dieſen nur ausnahmsweiſe und zufällig, ſo bilden die jezt zu beſprehenden, weniger verſte>t lebenden die über die gemäßigten Erdgürtel und über ganz Amerika ausgebreitete Familie (Ordnung) der Afterſpinnen (Phalangidae oder Opiliones). Die ungemein lang- und dünnbeinigen Tiere, welche in Deutſchland niht minder wie in den nördlichen und ſüdlichen Teilen Europas und in Nordamerika ihren kleinen eirunden und gegliederten Leib in der Shwebe tragen, wenn ſie an einem Baumſtamm, einer Mauer, auf dem Boden entlang kriechen, denſelben aber mit dem Bauche auflegen, wenn ſie mit lang ausgeſtre>ten Beinen der Ruhe pflegen, kennt jedermann, wenn niht unter dieſem, ſo doh unter jenem Namen, wie Weberkne<ht, Kanker, Schneider, Schuſter, Geiſt, Tod, Faucheur der Franzoſen, und anderen. Die Buben erzählen ſih von ihnen, daß der Rumpf ſüß ſ{<med>e wie eine Nuß, und es fehlt nicht an lüſternen, welche den Verſuh machen und ihren Kameraden die Verſicherung geben, daß die Sache ihre Richtigkeit habe. Dabei erfahren ſie auch, daß die langen, dünnen Beine vom fleiſchigen Hüftteil ſehr leiht abfallen und ſtundenlang naher no< krampfhaft zu>en, als wenn immer noh Leben in ihnen wäre. Man ſieht die Tiere bei Tage in dunkeln Winkeln der Häuſer, aber au<h draußen im Freien allerwärts und eben niht ſehr verſte>t ſißen, ſih auc träge wie auf Stelzen fortbewegen; doch erſt mit anbrehender Nacht erwachen ſie aus ihren Träumereien, treiben allerlei Kurzweil, ſi gegenſeitig ne>end, mit den Beinen ineinander verſtri>end, eins das andere von ſeinem Plate herabwerfend, hauptſächlich aber ſuchen ſie jeßt kleinere Jnſekten und Spinnen zur Nahrung auf. Wie eine Kate ſpringt der Schneider auf die Beute und verarbeitet ſie \{hnell mit ſeinen Mundteilen. Nach Gödarts Anſicht dauert es drei Jahre, bevor die aus