Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, S. 771

Weverknecht. Eis-Kanker. 691

den weißen Eierchen entſhlüpften Weberknechte ihre vollkommene Größe, und zwar unter wiederholten Häutungen, erlangt haben. Die Kälte ſcheint ſie wenig zu beläſtigen, denn man findet ſie hoh oben auf den Bergen, ja in den Schweizer Alpen beobachtete man den Eis-Kanker (Opilio glacialis) in einer Höhe von 3344 m. Die Tiere wurden früher mit den vorherbeſprochenen unter dem Gattungsnamen Phalangium vereinigt, ſpäter trennte man ſie, die einen unter Beibehaltung des Namens, die anderen unter dem Gattungsnamen Opilio, welcher in neueren Zeiten niht für ausreihend befunden wurde, und für gewiſſe Arten noh andere neben ſih erhielt. Die Weberknechte, für die wir den Herbſt ſ{hen Namen Opilio feſthalten wollen, ſtimmen in folgenden Merkmalen überein. Strahlenförmig von den langen Beinen umgeben, zeigt der feiſte Körper, welcher am Kopfbruſtſtü> etwas uneben iſt, die Eiform, aber niht immer deutlich die ſehs Ninge am gewölbten Hinterleib. Die Natur hat ihn in manchen Beziehungen etwas ſtieſmütterlih ausgeſtattet: nur zwei Augen ſtehen ſo ziemli< in der Mitte des Kopfbruſtſtückes, zwei unter den Hüften der hinterſten Beine gelegene Luftlöcher bilden die einzigen Ausgänge für die Luftröhren, durh welche hier das Atmen bewirkt wird. Die dreigliederigen Kieferfühler hängen vor der Mundöffnung herunter und endigen in eine leine Schere; die Kiefertaſter beſtehen aus ſehs fadenförmigen, niht bedornten Gliedern, von denen das erſte an der Außenſeite der Kieferfühler eingelenkt iſt, das leßte in eine feine Kralle ausläuft, wie das beinförmige nächſte Kieferpaar. Dieſes und die e<ten Beine erreichen eine Länge, wie bei keinem zweiten Gliederfüßer, und obſchon ſie in 10—15 haarfeine Fußglieder ausgehen, enthalten ſie als Taſtwerkzeuge zahlreiche Nerven, wie auh das ſtundenlange Zu>en der vom Körper getrennten Beine beweiſt. Sie alle ſind fleiſhigen Hüften 2 angefügt, welche gedrängt hintereinander ſtehen und deren Männden des krummbeinigen Gonyleßtes Paar weder dur Dicke, noh dur breiteren Ab- ‘Pts E e ſtand voneinander vor den übrigen etwas voraus hat.

Im inneren Körperbau ſtimmen die Afterſpinnen der Hauptſache nah mit den Spinnen überein. Von den zwei Nervenknoten über und unter dem Schlunde verſieht der lebtere,/ größere, die Beine und den Hinterleib mit Nervenfäden. Der im Vorderleib gelegene Magen ſendet zahlreiche, blindſhlauchartige Fortſäße aus und zwar vom oberen Teile vier Reihen kurzer, von den Seiten drei Paar langer, den ganzen Hinterleib dur<hziehender. Das Rückengefäß beſteht aus drei Kammern und geſtattet nux aus ſeinen zugeſpibten beiden Enden dem Vlute einen Ausweg. Wie bei allen Gliederſpinnen öffnen ſi< auch hier die Geſchlechtsteile an der Wurzel des Bauches, und das Männchen beſitt die Eigentümlichkeit/ ein zapfenförmiges Organ herausſtülpen zu können, das Weibchen eine lange Legröhre. Die Forſcher unterſcheiden etwa 250 Arten und verteilen ſie auf mehr denn 50 Gattungen. _Das mit obigen volkstümlichen Namen belegte Tier (Fig. 4 auf S. 709) wurde von Linné Phalangium opilio, von Herbſt Opilio parietinus genannt, mißt im grauen oder graugelben Leibe reihli< 5 mm, trägt an Hüften, Schenkeln und dem Kopfbruſtſtük feine Dörnchen und iſt unter anderen Maſſenvertilger der Schildlaus Chermes coccinea auf Fichten. Cine ſehr ähnlihe Art, von manchen für das Männchen der vorigen gehalten, iſt der Opilio (Cerastoma) cornutus, ausgezeihnet dur< einen hornartigen Anſaß hinter der Scherenwurzel der Kieferſühler. Noch zahlreiche ähnliche Kankex leben in Europa und Amerika.

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