Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 5, S. 795

Hausſpinne. Gemeine Labyrinthſpinne, 713

erzählte er dann mit Thränen der Rührung von der Freundſchaft ſeiner Spinne, von dem Troſte, welchen ihre Nähe ihm gebracht, von ihrer Anhänglichkeit und Klugheit und von dem verzweiſlungsvollen Schmerze, den der gefühlloſe Kerkermeiſter dur ihre Tötung über ihn gebracht habe.

Man hat die Gewebe und beſonders die leiht zugänglichen der Hausſpinnen auch zu mediziniſhen Zwe>en benußgt. Werden dieſelben auf einem Nohrſtuhl oder Drahtſieb gründlih ausgetlopft und vom Staube gereinigt, mit einem Wiegemeſſer fein zerſchnitten, mit Butter vermengt auf Brot geſtrichen und in beſtimmten Zwiſchenzeiten genoſſen, ſo ſollen ſie treffliche Dienſte gegen Wechſelfieber leiſten. Bekannter iſt die blutſtillende Wirkung der auf Wunden gelegten, natürlich gleichfalls erſt vom Staube befreiten Spinnengewebe. Auch hat man verſucht, ſie gleih den Seidenfäden zu verarbeiten; jedo<h wird dieſer Rohſtoff, welcher von einem Raubtier ſtammt, nie in ſolhen Mengen zu beſchaffen ſein, um Vorteil aus dem Jnduſtriezweig erzielen zu können.

Die gemeine Labyrinthſpinne (A gelena labyrinthica) vertritt für offene Waldpläße, Wieſen und ſonnige Bergabhänge, die mit niederen Pflanzen und Geſtrüpp bewachſen ſind, in ihrer Lebensweiſe die Hausſpinne. Sie iſt no< etwas kräftiger gebaut als dieſe (13—22 mm lang), von derſelben Geſtalt, am graugelben Vorderleib mit zwei ſ<warzbraunen Längsſtreifen gezeihnet, die nah den Seitenaugen hin \pig auslaufen. Über den grau und ſ{<warz gemiſchten Hinterleib zieht ein Mittelſtreifen graurötlicher Haare, welcher in einen orangenen Fle> über den heraustretenden Spinnwarzen endet, und an welchen ſih ſeitlih 5—6 von Punkten ausgehende, geſhwungene, ſhräg nah vorn gerichtete Streifen von gleichfalls graurötliher Behaarung anſchließen. Die Hüften und Senkel ſind gelb, die übrigen Glieder der Beine rotgelb, an den Spißen rotbraun, ſonſt ungeſle>t. Die ziemlih gleich großen Augen ordnen ſih wie bei der vorigen Art, nur treten die Scheitelaugen weiter zurü> und näher aneinander, faſt ſo nahe wie die Stirnaugen. Weil das Endglied der oberen Spinnwarzen faſt doppelt ſo lang wie das voraufgehende Glied und emporgeritet iſt, ſo erſcheint das Schwänzchen ſehr entwi>elt. Das Endglied der männlichen Taſter iſt kurz und di>, niht länger als das dritte Glied, während es bei Tegenaria beinahe anderthalbmal länger iſt. Die Spinne legt unter Kräutern und niedrigem Buſchwerk, an freien und ſonnigen Stellen, wie bereits erwähnt ein wagere<tes Gewebe als Hängematte an und läßt es in eine walzige, beiderſeits offene, mehrfah gekrümmte Röhre, wel<he ihre Warte bildet, auslaufen. Dieſelbe wird von oben her mit tro>enen Blättern verwebt, um einigen Schuß gegen Negen und die brennenden Sonnenſtrahlen zu gewähren. Bei ſchönem Wetter durchläuft die Labyrinthſpinne öfters die Grenzen ihres Baues, deſſen weiter Rand dur< mehr als 30 cm lange Fäden mit der Umgebung verbunden iſt. Sie zeigt ſih in ihren Bewegungen ungemein flink und gierig nah Beute. Ihr Neſt verläßt ſie ſo leicht niht, ſondern fli>t es immer wieder aus, ſobald es an einer Stelle Schaden erlitten hat. Jm Juli und Auguſt erfolgt die Paarung und zwar in derjenigen Nöhre, in welcher ſich das Weibchen aufhält. Dieſes legt hierauf eine verhältnismäßig geringe Anzahl (60—70) großer Eier in einen aus mehreren Schichten beſtehenden Schlauch, deſſen Außenſeite mit Erdklümpchen und Pflanzenüberreſten aus der Umgebung verwebt iſt. Derſelbe wird in der Nähe des Neſtes aufgehängt und von der Mutter ſorgſam überwacht. — Die Spinne hat eine weite Verbreitung; denn man findet ſie in England, Schweden, Deutſchland, Frankreih, Ungarn und ſicher auh in Nußland. Jn erſterem Lande ſoll nah Liſters Beobachtungen die Begattung ſhon im Mai erfolgen und die junge Brut, durch dichte Fäden geſüßt, in Mauerlöchern und hinter Baumrinde überwintern, während nach den in Frankreich und Deutſchland angeſtellten Beobachtungen ſich die Eier in dieſer Lage befinden.