Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6
—— + —+—
Men)ſchen-Grubenkopf. 185
beſonders die Weſtſhweiz. Der Wurm war in früherer Zeit vornehmlih auf das Ufer: gebiet des Bieler-, Murten-, Neuenburger und Genfer Sees beſchränkt. Auch heute no< ſind dieſe Lokalitäten als die Hauptherde unſeres Paraſiten zu bezeihnen, obwohl derſelbe an einzelnen Stellen, wie z. B. in Genf, wo nah Odier einſt ein Viertel der Einwohnerſchaft daran litt, im Laufe der Zeit ſehr viel ſeltener geworden iſt. Anderſeits gibt es aber noh gegenwärtig in den UÜferdiſtrikten der genannten Seen Orte, in denen von fünf Erwachſenen je einer unſeren Bandwurm beſißt. Kinder unter 10 Fahren ſind meiſt davon verſhont. Jn der ſ{hwediſhen Provinz Nordbotten ſoll unter den Küſtenbewohnern niemand, weder reih no< arm, weder jung noh alt, davon verſchont bleiben. Ebenſo iſt auf der Kuriſchen Nehrung kaum einer der Fiſcher frei von unſerem Wurme. Fn Petersburg ſhäßt man die Zahl der Bothriocephaluskranken auf 10 Prozent.“ — Auch im Fnneren Rußlands, in Polen und bei Kaſan iſt der breite Grubenkopf ein häufiger Gaſt des Menſchen, ſelten nux in Moskau. Fn Dänemark kommen auf 200 Bandwurnikranke 20 mit Bothriocephalus latus behaftete. Jn Frankreich und Ftalien findet er ſih in den der Shweiz bena<hbarten Teilen, in Holland und Belgien wurde er gleichfalls beobachtet. Jn Deutſchland beherbergen ihn die Küſtenſtrihe Oſtpreußens und Pommerns, doch wurde er auh in Hamburg, Berlin und Rheinheſſen gefunden. Von beſonderem Jntereſſe geſtalten ſih die Verhältniſſe ſeines Vorkommens in München. Hier kam er in der erſten Hälfte der achtziger Jahre unſeres Jahrhunderts unter 27 Fällen von Bandwurmerkxankungen a<htmal zur Beobachtung und zwar aus\chließli< bei Perſonen, welhe München und ſeine nächſte Umgebung ſeit längerer Zeit niht verlaſſen hatten. Die Mehrzahl der Patienten (fünf) hatten ſi<h aber längere Zeit am Starn- | é | berger See aufgehalten. „Da aus früherer Zeit kein derartiger Popfende und) reife Glieverves Fall beobachtet worden, ſo liegt die Vermutung nahe, daß in- Menſchen-Grubenkopfes in folge des geſteigerten Verkehrs an den Ufern des Starnberger "WW Mutt E LI Sees, deſſen Fiſche bis nah München vertriebén werden, im
Laufe des lezten Fahrzehnts ein neuer Pothriocephalus-Herd entſtanden iſt. Die in neuerer Zeit ſo viel beſuhte Gegend iſt wahrſcheinliherweiſe von Ruſſen oder Schweizern mit Bothriocephalus-Eiern infiziert und bildet nun ſelbſt eine Brutſtätte dez Grubenfopfes.“ (Leud>art.)
Aus dieſer merkwürdigen Verbreitung läßt ſih von vornherein mit großer Wahrſcheinlichkeit vermuten, daß Fiſche die Zwiſchenwirte unſeres Paraſiten ſein werden. Und ſo iſt es na den Unterſuhungen Brauns in der That. Dieſem Forſcher gelang es, die Finnen des Grubenkopfes bei der Quappe (Lota yulgaris) und ganz beſonders beim Hecht aufzufinden und dur< Verfüttern derſelben an Hunde und Kagßen ſowie durh Verabreichung an Menſchen (an drei Dorpater Studenten, welche ſich freiwillig dazu erboten hatten) bei den infizierten Jndividuen die Entwi>kelung zum ausgebildeten Bandwurm nachzuweiſen.
Aus den Ciern des breiten Grubenkopfes, welche eine ſehr lange, je nah den Witterung®verhältniſſen und der Höhe der darüber befindlihen Waſſerſchicht hwankende (von 3 Wochen bis 8 und mehr Monaten) Fnkubationszeit halten, ſ{<lüpft ein runder, mit langen Flimmerhaaren bede>ter Embryo, der im Waſſer gleichfalls verhältnismäßig lange, bis zu einer Woche lebend und beweglich bleibt. Was nun weiter mit dieſem, der einen Kranz träftiger, an der vorderen Hälfte ſichelförmig gebogener Haken beſißt, geſchieht, wiſſen wir noh niht. Möglicherweiſe wandern ſie direkt in die betreffenden Fiſche, welche Träger der Finnen ſind, ein, durhbohren deren Darmwandung und gelangen in das Muskelfleiſch;