Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 582

530 Stachelhäuter. Fünfte Klaſſe: Haarſterne.

Tiefen des Stillen Ozeans ungefähr von ſeiner Mitte bis zur Weſtküſte Amerikas ſehr arm an Schlangenſternen zu ſein ſcheinen. Der „Challenger“ erbeutete bloß ein einziges Exemplar und das dürfte kaum zufällig ſein. Die Ophiuren der Tiefſee zeihnen ſih vor denen des ſeichten Waſſers dur<h eine Reihe von Eigentümlichkeiten aus, vor denen nicht die geringſte ihre Färbung iſt. Alle ſind nämlich lebhaft orange oder rot, aber dieſe Farben verſhwinden in Spiritus ſtärker und raſcher, als die oft auch re<t bunten Farben der in weniger tiefen Gewäſſern hauſenden.

Neben den zahlreichen Arten der echten Schlangenſterne finden ſich einige wenige, deren Arme ſi< entweder am Ende oder glei<h über der Wurzel verzweigen. Sie bilden die Ordnung der Meduſenſterne. Man hat berehnet, daß bei Fndividuen mit ſtark verzweigten Strahlen die Zahl der Glieder gegen 80,000 beträgt. Bei allen dieſen beſißen die Arme und ihre Zweige die Fähigkeit, ſi<h gegen die Mundſeite hin einzurollen, und wahrſcheinlih vermögen ſie nicht bloß direkt ſih anzuklammern, ſondern auch die ergriffene Beute dem Munde zuzuführen. Die Meduſenſterne lieben ausnahmslos größere Meerestiefen. Von mehreren im hohen Norden gefiſhten Exemplaren der Euryale verrucoga weiß ih aus eigner Überzeugung, daß ſie mit zufällig an die Tiefangeln geratenen Stauden der Hornkoralle heraufkamen. Die Euryaliden ſind die einzigen Swlangenſterne, welche gelegentlih frei {<wimmen.

Auf die Entwickelungserſcheinungen der Seeſterne und S<hlangenſterne gehen wir nicht näher ein, da der Verlauf im weſentlichen mit dem übereinſtimmt, den die Seeigel zeigen. Auch die Larve des Sthlangenſternes ſtellt ſich, mit dem fertigen Tiere verglichen, als eine gänzlich andere Geſtalt dar, welche wegen ihrer entſchiedenen Zweiſeitigkeit und Symmetrie eher in die Kreiſe der ſymmetriſchen Tiere als in einen der Strahltiere paſſen will.

Jünſte Klaſſe. Die Haarſterne (Crinoidea).

Der in dieſem Werke eingeſchlagene Weg, von den höheren zu den niederen Formen abſteigend, läßt ſi in vieler Beziehung rechtfertigen, hat aber, wir wiederholen dieſe Bemerkung, überhaupt und namentlih im Bereiche der niederen Tierwelt das Unbequeme, daß die auf den inneren natürlihen Zuſammenhang der Formenreihen hinweiſende Darſtellung gerade in dieſem Punkte gehemmt iſt. Das Leben der einzelnen iſt da, wo mit der Größe ſi< ein gewiſſes Maß von Jntelligenz und Kraftäußerung verbindet, ſehr anziehend. Das Leben des Einzeltieres führt aber über ſih hinaus auf das Leben und Werden der Art, auf den, wenn auh noch vielfah rätſelhaften Geſtaltungsprozeß der Tierflaſſen und Kreiſe; es lenkt den Vli> mit Notwendigkeit in die Vorwelt und auf die Reſte der Vorgänger der heutigen Lebeweſen. Und da muß es uns denn gehen wie demjenigen, der in der Völkergeſchichte mit den neueſten Perioden beginnen und ſi< allmähli<h bis zum Altertum nah rü>wärts durchſchlagen wollte. Auch die Tiergeſchichte verlangt jene ent wi>elnde, pragmatiſche Behandlung und um ſo mehr in den Regionen, wo das Leben der Individuen an Jntereſſe ganz zurü>ſteht gegen das Leben, d. h. das Auftauchen, Umändern und Verſchwinden der Formenreihen, welche die Syſtematik als Arten verzeihnet.

el —— rt ——————