Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 610

554 Hohltiere. Zweiter Unterkreis; Neſſeltiere; erſte Klaſſe: Polypquallen.

horizontalen Bewegungen bedingen. Denken wix uns z. B., die umſeitig abgebildete Auronekte (Stephalia corona) {<wämme im Meere und hätte aus irgend einem Grunde das Bedürfnis nah dem Aufenthalt in größerer Tiefe. Wie kann ſie dieſes wohl befriedigen?

Nun, ſie zieht ihren Pneumatophor zuſammen, das in ihr enthaltene Gas entweicht dur<

den Seitenkanal, und das Tier wird im Verhältnis zu ſeiner Größe ſ\pezifiſh ſ<hwerer und ſinkt demzufolge. Die umgeſtaltete Shwimmglod>e, die Hae>el geradezu eine „Gasdrüſe“ nennt, ſondert nun höchſtwahrſcheinlih ein Gas ab, welches den Pneumatophor füllt und ſo das Tier wieder nach oben hebt.

Die Siphonophoren haben nah den Beobachtungen Chuns überhaupt ſehr das Bedürfnis nach vertikalem Drtswechſel. Der genannte Forſcher bezweifelt das Vorkommen ausſ<ließlih der Tieſſee angehöriger Shwimmpolypen im Mittelmeer und iſt der Anſicht, daß alle unter Umſtänden und zu gewiſſen Zeiten an der Oberfläche des Meeres erſcheinen. Manche durchlaufen ihre Larvenentwicelung in der Tiefe, und Chun beobachtete, „daß die im Frühjahr an der Oberfläche auftretenden jugendlichen Physophora-Larven mit Beginn des Sommers größere Tiefen aufſuchen, um dann nah Vollendung ihrer Metamorphoſe mit Beginn des Winters aufzuſteigen und zu geſchlechtsreiſen Tieren ſih zu entwi>eln“.

Die Auronekten bilden gewiſſermaßen einen Übergang zur Familie der Scheiben\{<wimmpolypen (Yelellidae), die in ihrer Erſheinung an Scheibenquallen erinnern. Hier iſt der Körperſtamm niht mehr verlängert, ſondern ſceibenartig abgeplattet, und wird von einem Kanalſyſtem dur<zogen. Auf dieſer Scheibe liegt der ähnlich geſtaltete und gleichfalls von konzentriſch angeordneten, ſih frei nah außen öffnenden Kanälen dur<hzogene Pneumatophor. An dex Unterſeite der knorpelharten Scheibe hängen die Polypen, und zwar im Zentrum ein großer Ernährungspolyp und um ihn herum in konzentriſchen Kreiſen viele kleinere, die an ihrer Baſis Geſchle<htsträubchen aber keine Fangfäden tragen. Die Tentakeln ſind am Rande der Scheibe angeordnet und ſehr kurz. Die Gattung Velella iſt ein im Mittelmeer häufiges pelagiſches Tier mit unregelmäßig ovaler Scheibe, über welche ein windſchief gebogener Kamm quer hinweg läuft. Die Tiere treten oft in Schwärmen auf und ſind von einer wundervollen indigoblauen Farbe. Die weiblichen Geſhlehtsbeeren löſen ſih, wie das bei vielen Siphonophoren der Fall iſt, von dem Stamme los, aber in dem ſpeziellen Falle von Velella wadſen ſie, ähnlih wie bei Hydroidpolypen, zu Éleinen Quallen (früher als Gattung Chryzomitra beſ<hrieben) aus.

Zweite Drdnung. Die Hydromeduſen (Hy dromedusa s. Hydroide a).

Um eine ganz ſonderbare Abzweigung von dem Typus der Hohltiere kennen zu lernen, eine Qualle, welche zu den übrigen ſi< ſo verhält, wie der des Flugvermögens beraubte Pinguin zu den übrigen Vögeln, lade ih ein, mi<h nach Leſina in Dalmatien zu begleiten, wo ih oft dieſer niederen Tierwelt nachgegangen bin. Wir haben uns im Kloſter bei unſerem Freunde Pater Bona Grazia einquartiert. Die Schwelle des Hauſes wird vom Meere beſvült, und ein Griff in das Waſſer füllt das Gefäß mit großen blattartigen Ausbreitungen der grünen Lattich-Ulve. Wir muſtern nun mit dem einfachen Vergrößerungsglas ein Stückchen dieſer Pflanze und entde>en ein feines, blaſſes Weſen, welches, na<hdem wir es einmal gefunden, auh dem bloßen Auge erkenntlich bleibt, wie es mühſam

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