Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 6, S. 694

Anpaſſungsfähigkeit der Shwämme. Entwikelung der Kalkſhwämme: 631

Erſte Klaſſe. Die Kalkſ<hwämme (Calcispongiae).

Dieſe Abteilung hat ihren Namen von der Eigenſchaft, daß in allen ihren Arten mikroſkopiſche oder auh ſhon mit unbewaffnetem Auge ſihtbare Kalkgebilde abgeſondert werden, die dem Körper als eine Art von Skelett dienen, indem ſie entweder unregelmäßig dur das Gewebe zerſtreut oder zierlih büſchelförmig und reihenweiſe angeordnet ſind. Dieſe Kalkabſonderungen haben die Form von Stäbchen oder Nadeln oder von drei: und vierſtrahligen Sternen. Sie erfüllen den Shwamm gewöhnlich in ſolcher Maſſe (während die weihen Beſtandteile überhaupt ſehr ſpärlih ſind), daß auh beim Eintro>nen die Körpergeſtalt und der Umfang unverändert bleiben, und daß die meiſten Kalkſhwämme lebend und tot ein kreidiges oder gipſiges Ausſehen haben.

Unter allen Spongien ſcheinen die Kalkſ<hwämme die variabelſten zu ſein. Wir beſißen eine meiſterhafte Naturgeſchichte der Kalkſhwämme von Hae>el, in welcher derſelbe, wie ih es ſchon früher für einige Gruppen der Kieſelſ<hwämme unternommen, den unumſtößlichen, auf viele Tauſende von Beobachtungen gegründeten Beweis liefert, daß die ihm aus allen Teilen der Erde bekannt gewordenen 111 Arten dieſen Namen eigentlih gar niht verdienen, daß dieſe ſogenannten Arten ſi< an gewiſſen Standorten zwar in gewiſſen, meiſt an ſi< unbedeutenden Eigenſchaften befeſtigen, aber dur<h die mannigfaltigſten Übergänge ineinander verſhwimmen. Die Schwämme ſind das ausgezeihnetſte Beiſpie für die Veränderlichkeit der Art. Dennoch iſ es Hae>el gelungen, auh hier einige natürliche Hauptfamilien aufzuſtellen, in denen ſi< ein Forſchritt vom Einfacheren zum Zuſammengeſeßteren kundgibt. Wir kennen bisher leider nur von wenigen Arten die Entwi>elung, deren früheſte Zuſtände wir übergehen, um nur eine, wie es ſcheint ſehr verbreitete Larvenform hervorzuheben. Schneidet man einen Kalkſhwamm zur Zeit der Reife, die an den europäiſchen Küſten vorzugsweiſe im Frühjahr ſtattfindet, in feine Scheiben, oder zerzupft man ganz einfa ein Stü>kchen mit Nadeln, ſo werden die darin befindlichen, winzigen, erſt bei ſtarker 300—600maliger Vergrößerung gut ſichtbaren Larven frei, und man kann ſie unter dem Mikroſkop beobachten. Die eingehendſte und am meiſten erſhöpfende Darſtellung der Entwi>kelung eines Kalkſhwammes (und zwar von Zycon raphanus) verdanken wir F. E. Shulze. Hier iſt die Larve, wenn ſie den mütterlihen Körper verläßt, eine ovale Blaſe (\. Abbildung S. 632, Fig. a) mit ſehr kleinem zentralen Hohlraum (Furhungshöhle). Dieſe Blaſe beſteht aus einer Anzahl von Zellen von zweierlei Art: die vordere Hälfte wird gebildet aus einer bedeutenden Anzahl kleiner Zellen von prismatiſcher Geſtalt, deren jede eine lebhaft ſ<hwingende Geißel trägt. Dieſes Ende ſhwimmt voran und zieht die hintere aus einer weit geringeren Anzahl viel größerer Zellen beſtehende Hälfte nah. Hier ſind die Zellen, ſoweit ſie ſi< niht gegeneinander abflachen, abgerundet, mit trüberem Fnhalt und ohne Geißeln. Fhre Zahl iſt ziemli< konſtant: zunächſt am Hintexrrande der vorderen, aus den kleineren Zellen beſtehenden Hälfte der Blaſe liegt ein Ring von 15—16 Zellen, dann folgt ein ſolcher von 9, und endlih wird das Hinterende der Blaſe von 4—5 Zellen gebildet. Nachdem die Larve geraume Zeit frei umhergeſhwommen iſt, vergrößert ſi ihr zentraler Hohlraum und zwar nicht in der Richtung der Pole, ſondern des Äquators derſelben, wodur<h ſie ſich verbreitert (Figur Þ). Dabei plattet ſih die vordere Hälfte immer ſtärker ab und bildet über die hintere Halbkugel einen Deckel. Endlich ſtülpt ſi<h die Schicht der kleinen Zellen unter Verluſt der Geißeln in die von den großen Zellen gebildete Halbkugel, welche jeßt einem Becher mit doppelter