Charakterologie
222 Die pjychoanalytijche Charafterlehre
Philojophie.) Der direfte Weg zum Tode (zum Anorganijchen) ijt der lebendigen Materie nicht möglid), das Leben zwingt nun einmal dazu, dab jedes Individuum feinen Weg (d.h. jeinen „Umweg“) zum Tode geht. Auf diefem Umwege entjtehen nun immer höhere Sormen, Diffetenzierungen, Sublimierungen dur} den Kampf des Lebens-(Du-)Triebes mit dem Todes-(Jch-)Trieb. Bei Sreud wird der Ich-Trieb zum Todestrieb, weil er dem fortzeugenden Du-Trieb entgegeniteht. Alle diefe Werke der Sublimierungen unjerer Triebe — aljo alle Kultur jchlehthin — jind bis . zu den hödjiten geijtigen und religiöfen Sormen Produft der umwegigen Prozejje des Lebens hin zum Tode.
Natürlich ift jchon in diefem Anjat feiner Philojophie auf der ganzen Linie gewertet. Der Begriff des „Umweges“ ijt ja deutlich negativ, Umwege jind im Praftijchen finnlos und zwedwiörig, und das ganz bejonders, wenn (wie hier) nur ein Ziel erjtrebt wird, wodurd) jelbitverjtändlic} der direfte Weg zum allein günjtigen wird. Noch negativer aber wird das Ganze, wenn der Umweg, wie es am Schlujje herausfommt, gerade das Gegenteil des zu erreihenden Zieles (des „eigentlichen“ Zieles) Ihafft: nämlidy das immer wieder verlängerte und fich immer üppiger ausgejtaltende Leben! Nicht nur find aljo nah Sreud die Hochkulturen, die geijtigen und religiöjen Gedanfengebäude, dem Todeswunjch als dem eigentlichen abgequält durch diejen Umweg, den er machen muß, fondern obendrein erreicht er jein Ziel gegenüber dem Leben gar nicht; denn das herausfommende Refultat ijt immer mehr Leben und immer mannig= faltigeres Leben.
Steud hat jonjt eine jo unerbittlihe Solgerichtigteit, bei allen Phänomenen die Ergebnijje anzujchauen. Steud, nicht erjt Aöler, jtellt bei allen pjychiichen Problemen die Sinalfrage, d.h. er verjudht, die piyhiichen Erjcheinungen danach zu begreifen, wohin jie führen, finale „Strebungen” jind die Elemente, mit denen er operiert, und was jie jind, zeigt jich an ihrem Rejultat. Sreud forjcht überall nad}, was für einen Dienjt dem Kranten diejes oder jenes „Gebrechen“” Teijtet. Er ijt mißtrauijh, wenn ji ein Patient unerwartet gejund meldet, denn er jieht das Ergebnis: der Patient wäre damit von der weiteren Behandlung befreit, die ihm jehr Unangenehmes aufbürdet.
bier in jeiner Philojophie aber fieht Sreud nicht auf das Rejultat. Denn täte er das, jo würde er niemals zu diejer merfwürdigen, logijch gar nicht mehr zu rechtfertigenden Rangordnung fommen. Dom Rejultat her muß das, was bei Sreud ein widerwilliges Nebenproduft ijt — die Aus= öifferenzierung und Höherjteigerung des Lebens im individuellen Umweg