Charakterologie

250 Die Charakterlehre der Individualpiychologie

oder als jchädigend erweilt, muß jie beibehalten oder wieder abgehoben werden fönnen.!)

In diejen Gedanfengang fügt ji) nun auch) die Rolle der Dererbung ein als jcheinbares Hindernis der individuellen Steiheit. Sofern ji auch die Individualpfychologie mit „Rüdführung“ der Charakterformen auf Entwidlungsfaftoren befaßt, tritt fie in eine Betradhtungsart ein, aus der li) dieje Stage nicht mehr ausichliegen läkt. Es geht nicht an, bei einer Herleitung der Charafterformen mit der „tabula rasa“ im Charakter zu beginnen, und von da an nur noch den Kampf zwilchen Steibeit des Individöuums und drohender Einengung in Leitlinien gelten zu lajjen. Es geht erjtens nicht, weil, wie wir zeigten, das Individuelle damit einfad eingejchmuggelt wird. Und es geht aus dem umfajjenden Einwand nicht, weil jich charafterliches Leben überhaupt nicht als Gegenjpannung von allein werthafter Sreibeit und ihr als Unwert gegenüberjtehender Gebundenbeit auffajjen läßt. Das ift der entiheidende Puntt, auf den alle Derjucdhe tadifal offener Syjtere hinauslaufen: wir müfjen lostommen von der Antitheje: Steiheit gegen Bindung.

Dieje Antitheje liegt der Individualpjychologie legten Endes genau jo zugrunde wie der Pjychoanalyje. Die Piydjoanalyje wendet jie pejjimijtifch an, die Individualpjychologie optimiitiich.

Audy die Dererbungstatjahe, als Tatjahe einer ftärfiten Bindung, widerjpricht der Steiheit nicht. Der Körper ijt die erite Gebundenbeit, die wir vorfinden. Sie bejtimmt die individuelle Art unjeres Wejens innerhalb eines Sormrahmens, der bei dem einen Menjchen eng, beim anderen weit ilt. (Am engjten, wenn der Körper-als ein franter Körper, bejonders bei Erkrankungen des Zentralnervenjyjtems, nur eine jehr gejtörte pjyhilhe Entwidlung zuläßt.) Die Sreibeit diefer Bindung gegenüber ilt damit aber nicht aufgehoben, jondern vielmehr erjt ermöglicht, indem Ihon gleic) mit der Geburt die notwendige Spannung von Kraft und WiderItand, Sreiheit und Bindung gegeben ijt. Die Individuierung durch die mitgegebene Erbmajje ijt erjt die Bedingung der Möglichkeit der Sreiheit. Die Individualpfychologie brauchte aljo diefe Sragen der Erblehre nicht zu umgehen, wenn jie das allzu einjeitige und in ji) widerjprucdjsvolle Jdeal der von allen Bindungen freien Seele aufgäbe. Es gibt eben feinen erjten gänzlich freien Eintritt des Seelijchen in die Welt. Sie tritt mit ihrer

D) Im Grunde ijt diefe zweite Unterjcheidung die umfaljende, denn Sirierung (die bei der erjten Unterjcheidung das Schädliche darftellt) ift eine Sorm der Erltarrung, und die Steiheit, aus Eindlicher Zieljegung nur noch die Sorm des Höheritrebens abzubeben, ijt das Jdeal der elajtiihen Leitlinie.

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