Charakterologie

284 Die Ausörudslehre

in enger Einheit mit dem ganzheitlichen Schriftbild den Charakter jo unmittelbar wie möglic) zu erfühlen. Dazu hilft im Anfang die Dornahme, gar nicht den Charafter „hinter“ der Schrift bejchreiben zu wollen, jondern die Budjtaben jelbjt mit charafterlihen Ausdrüden zu fennzeichnen, aljo gewiljermaßen den Zug der Budhitaben als etwas Lebendiges, Seelen haftes aufzufajjen. Man lernt bald, einige Begabung natürlich voraus= gejeßt, deutlich zu unterjcheiden, ob ein Budjtabe träg und jhwer auf der Zeile jteht, ob er auf jie hinunterhängt oder ob er jich fejt auf jie hinitellt, eventuell ji in fie hineinbohrt. Ebenjo, ob die Druditärfe eine echt männlich energijche oder eine gewollt energijche ijt. Ob die Schrift nad) oben hinaufjtrebt, und wie jie es tut (elegijch, weich, zart, idealilch, „Nufig”, zerfahren, unwirtli, phantaftiich ujw.), oder ob fie „hängt“ ; und weiter, ob dies Hängen mehr ein müdes, energielojes ilt oder ein triebjchwer verframpftes Bleigewidht nad unten hin daritellt. Ob die Schrift flüffig oder gejpannt ijt, leicht oder bejchwert, frei oder unfrei. Ob fie hart oder weid; ijt. Ob jie fic) eraft und jeder Einzelaufgabe zugewandt in die volle Realität hineinzwingt, feine wichtigen Bindungen verjchmiert, jedem Zeichen gibt, was ihm zufommt — oder ob fie mit nur geringer Kraft dieje Einzelaufgaben erfüllt, und bald in großem Schwunge über alles hinweggehend, neue ganzheitlihe Wortjignaturen jchafft (jogenannte „Ligaturen”) oder nur (wertnegativ) das Einzelne verjäumt. Ob fie mehr rüdgewandt ijt (rüdgewandt meint: nad) lints gewandt, da ja die Beweaung nad) rechts hinzielt) oder mehr vorjtrebt ujw. Alles das find zunädjt jcheinbar nur Ausdrudsmerfmale der Schrift. Der gänzlihe Laie mag fragen, was fie denn nun charafterlih „bedeuten“. Aber da es eben „Ausdrudsmerfmale” find und nicht äußere Raummertmale, hat man damit jhon „gedeutet“. Man hat jchon die dynamijche Schicht unter der Schrift erreicht und damit den enticheidenden Schritt zur Charafterdeutung getan.

Die fritijhen Bedenken Tonzentrieren jidy vor allem auf das Problematijche der Derallgemeinerung, die etwa nady folgenden Dimenjionen hin vorgenommen wird.

1. Die Einzelaufgabe des Schreibens wird zum allgemeingültigen Modell aller Aufgaben überhaupt gemacht.

2. Die harafterliche Einjtellung, wie fie fich bei diejer Einzelaufgabe zeigt, wird zur Charafterform des betreffenden Menjchen überhaupt erweitert.

Offenbar gibt es nun allerdings Unterjdiede, wieweit jid) ein Menjc im Schreiben ausdrüdt, wieweit es eine Sonderaufgabe bleibt, die nicht