Das Nordlicht. Bd. 1-2

Das Meer beflimmern immer Brisenschilder.

So kann der Blick den Glanz nicht mehr ertragen. Die hohe Sonne aber leuchtet milder:

Die Seele wird sie um ihr Rätseln fragen.

O Sonne, deine Froheit kann ich doch ermessen! Die Fernen suche ich in meiner Tiefe.

Der Gott im Schlummer und im Wachvergessen Erscheint mir klar. Uns wird, als ob er riefe!

un lodern die Türme, nun lohen die Masten,

Und Menschen sind ringsum von Flitter umzittert. Um gotische Eckgiebel hängen sich Quasten: Das Meer scheint mit Quecksilberdraht übergittert.

Die Säulen umschleichen schon gelbliche Reben, Und rote Reflexe, wie herbstliche Blätter, Beginnen Balkone am Strand zu bekleben;

Der Abend ist da: des Dionysos Retter!

Venedig, du hast Hellas’ Götter empfangen!

Sie brachten dir himmlische, liebe Geschenke:

Nun rötest du selber Dionysos’ Wangen,

Die Lüfte durchgaukeln sich rot Baechus’ Schwänke.

So wachsen die wispelnden Schatten allmählich:

Kein wucherndes Efeugespenst aber tötet

Die goldenen Dolden, die hoch schon — unzählig Der Abend auf Marmor noch immer keck rötet.

Die ruhigen Ranken umklammern die Bauten,

In griechischer Schlankheit, mit Gängen und Lauben; So ist es, als ob Flimmerflechten vergrauten,

Dafür aber strotzen und reifen nun Trauben.

102