Das Nordlicht. Bd. 1-2

O Tintoretto, lauter goldne Trauben,

Ein braunes Erntefeld hast du erschaut, Des Herbstes Wolkengold und Kupferlauben Sind abendhold in dir emporgegraut.

Venedig, ganz Arkadien ist erstanden!

Dein Veronese flüstert für den Lenz.

Die Träumer, die an deinem Strande landen, Erstaunt Venedigs Weltmagnifizenz.

er Zauber, den hörbar die Nacht aufgerufen,

Beginnt sich als Wunder am Meere zu regen: Im Schatten verblauen die marmornen Stufen Der stillen Paläste an wogenden Wegen.

Der goldene Samen des schaffenden Tages

Ist traumhaft auf schlafendem Meer aufgegangen. Schon flackert und glastet ein langes und vages Geringel von Aalen und glitzernden Schlangen.

Beim Gondeln begegnen wir Zitterpolypen,

Dann Austern und kostbaren Muscheln der Tiefe, Die, alt wie Gespenster, zum Wellenkamm wippen: Dir deucht, daß die See von Getier übertriefe.

Auch mir will die Seele im Leibe entquellen! Die Wünsche entsprudeln, gleich Gischtschmetterlingen, Den innigsten Wellen, die Freuden erhellen: Ich will, ach, ich will mich in Lichthöhen schwingen.

Ihr Perlen und Spangen am Grund meiner Seele, O laßt Lebensfunken den Blicken entsprühen, Und dann sehnlichähnliche Tränenjuwele

Im nämlichsten Wesen voll Schwermut erglühen!

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