Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

wie sehr sie auch gelegentlich vor der Überbetonung der Einheit des Wesens zurücktreten möge. Ein charakteristischer Fall dieser Art liegt vor in dem das einheitliche und einzige Wesen bezeichnenden Begriff des Seelengrun des, der in einer eigentümlich schillernden Weise je nach dem Zusammenhang sowohl als identisch gilt mit dem indistinkten Wesen der Gottheit, aus dem erst die polaren Glieder Gott — Ich sich besondern und distantiieren, als auch andererseits das distinkte polare Glied zu Gott repräsentiert.

1) Der erstere Fall dürfte vorliegen in folgenden Texten: Pf. 13: 66,1: „... . des geistes innegestes. Hie ist gotes grunt mein grunt und mein grunt gotes grunt.” Die distinkte Polarität Gott Ich erhebt sich über der Einheit des Grundes, „in dem grunt der sele, da gotes grunt und der sele grunt ain grunt ıst“ (Homo nob. z. 168). „In dem grunde der sele, da ist gnade unde selikeit unde gotes grunt ein und ist daz selbe leben, da got inne lebet“ (Pf. 95: 504, 38). In der Predigt 56, wo Eckhart zum ersten Mal die Lehre von der Gottheit darlegt, hat er auch die „Ichheit“ entdeckt, und beide Wesenheiten sind teils ausgesprochen teils implizit aus dem Zusammenhang heraus als identisch gesetzt: a) In der Gottheit ist jede Relation vernichtet, dort sind Gott und Ich identisch: „Dö ich stuont in dem grunde, in dem river und in der quelle der gotheit, dä fragete mich nieman, waz ich wollte oder waz ich tete: dä enwas nieman, der mich fragete... Da entwirt got” (181,5 ff). b) Ebenso aber ist in dem Innersten des Ich jede Relation auf ein Anderes vernichtet. Die Seele bleibt dort ganz in und bei sich. Ec&hart erläutert das an einem Beispiel, in dem er drei Stufen und Arten einer Relation unterscheidet. Die erste ist die der Zufälligkeit, die rein äußerlich ein Gegenüberstehendes konstatiert. Das Beispiel dafür ist die Feststellung eines Gesichtseindrucks, die bloße Wahrnehmung: „Ich sihe an die Iylien üf dem velde“ (180, 26). Die zweite Stufe kann erst im eigentlichen Sinn als Relation bezeichnet werden, weil nunmehr ein logisches Begründungsverhältnis vorliegt: den Duft der Lilien sehe ich nicht, weil der Duft „in mir ist“: „Aber ir swelge der ensihe ich nicht. War umbe? Dä ist der swelge in mir.“ Idı nehme zwar den Duft in mich hinein, aber das Schmecken und Riechen ist ein spontaner Akt des Ich: Rezeptivität und Spontaneität halten sih die Wage. Die dritte Stufe ist die rein schöpferische Spontaneität des Ich, welches sein Inneres nach außen offenbart: „Daz ich spriche, daz ist in mir und ich spriche ez üzer mir“ (180,29). Diese Dreistufung des Relationsbegriffes wendet Eckhart nun an auf das ihn eigentlich nur interessierende Problem des Verhältnisses Gott —

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