Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

tigt sich gleichwohl die überall aufzuweisende Umdeutung ihres Sinnes, und ferner zeigt sich die grundsätzliche Neuorientierung seiner „Psychologie“ aus einer ontologischen in eine „logische“ Struktur, sofern die Unterscheidung von Wesen als Subjekt und Wirkkräften überwunden wird, so daß nicht die Kräfte aus dem Wesen hervorgehen, sondern daß das Wesen der Seele überhaupt erst aus der Aktualität und als Aktualität der “Kräfte“ bestimmbar wird.

Das grundsätzlich Neue in der Bestimmung des Wesens, des Grundes der Seele besteht darin, daß die Kreatürlichkeit der Seele geleugnet, und daß sie nunmehr als mit Gott wesenseins gilt. Gott und Ich haben dieselben Wesensprädikate: die Namenlosigkeit und Unaussprechlichkeit Gottes gilt gleicherweise für die Seele: „Also als die gotheit ist ungenament unt sunder namen, also ist ouch di sele ungenament als got, wan siistdasselbdazer ist“ (Jostes 96, 59)**). Das Wesen Gottes wurde definiert als „Vernünftigkeit“, und da das Wesen der Seele ebenfalls Vernunft ist”“), so ergibt sich daraus die Wesenseinheit mit Gott: „Diu sele hat ein vernünftic bekentlich wesen, dä von, swä got ist, dä ist diu sele unde swä diu sele ist, dä ist got“ (Pf. 85: = I 267, 11). In der zuletzt zitierten Predigt Pf. 85 ist das Verhältnis Gott — Ich gefaßt als ein solches von ..Geben und Nehmen“: „Diu säle nimt ir wesen än mittel von got“ (I 151,9). Da bei Eckhart das Geben durchgängig als Totalität des Gebens zu denken ist, so folgert er daraus: „darumb ist got in dem grund der s@l mit aller siner gotheit“ und das Wesen der Seele ist somit mit dem Wesen Gottes identisch, denn neben die Relation Geben — Nehmen wird im weiteren Verlauf der Predigt ein anderes Motiv gestellt, das die Autonomie des Ich in aller Schärfe wahrt und das jene die Autonomie gefährdende Relation auf eine Polarität innerhalb des logos selbst einschränkt. Eckhart spricht von dem „aigen bild der sele, da weder aus noc eingebildet wirt, das got selber ist“ (I 152, 31). Er sagt von dem Menschen, der sich diesem inneren „Gesicht“ zugewendet hat und der von allem Geschaffenen abgekehrt ist: „in ihn kommt Gott nicht, er ist wesenhaft da“ (I 155,2). Im weiteren Verlauf der Predigt wird die Seele mit dem eingeborenen Sohn wesenseins und identisch gesetzt (I 154, 6f). Durch diesen letzteren Begriff wird wiederum sinnfällig deutlih, daß die Einheit und die Identität der Seele mit Gott sich nur auf das Wesen erstreckt, daß immer die polare Distanz zwischen beiden gewahrt bleibt””),

355) cf. Pf. 21:89, 7,25.

»o) Pf. 85: — I 155,26: in dem grunde der sele, im indrosten der sel, in vernünftikeit

#37) cf. 56: 180,39 £,

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