Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Ich. Dem äußeren Menschen, dem kreatürlichen Ih, sind die Kreaturen das Mannigfaltige an sich, bloße materielle Genüsse: „Alle creaturen diu smackent minem üzern menschen als creaturen, als win unde bröt unde fleisch.“ „Aber“, so fährt er fort, „minem inren menschen ensmacet niht als creature, mer: als gabe gotes“. Gott und Ich stehen nunmehr in der Relation „Geben — Nehmen“. Das Ich ist als wesensgleiches in polarer Distanz zu Gott. Über dieser Relation und polaren Distanz gibt es die Einheit des Wesens, die den innersten Menschen mit dem Innersten Gottes identisch mat: „Aber min innerster mensche ensmacket si niht als gäben gotes, mer: als &wic ende &wic“. (180, 25—55). Dem entspricht die Äußerung, die Edhart bei der Erörterung über die Gottheit macht: „Vrägete man mich: bruoder Eckehart, wenne giengent ir üzerme hüse? D6 was ich da inne“. Damit meint er die Immanenz in der Gottheit (181,6).

2). Neben dieser Bedeutung der Identität mit der Gottheit hat der Seelengrund noch die andere des polaren Relationsgliedes zu Gott. Dieser Sinn liegt in dem Gedanken der Immanenz Gottes im Seelengrund®®) und dem Motiv der korrelativen Attributsentsprehung von Gott und Seele, das wirksam wird in dem Prozeß des gegenseitigen Bereichens, des Sprechens Gottes, der Gotteserkenntnis durch das Ih. Der Bloßheit Gottes entspricht die Bloßheit des Seelenwesens, den personalen Bestimmungen Gottes entsprechen die Seelenkräfte. Daher kann nur der Grund der Seele Gott in seiner Reinheit empfangen, und Gott kann nur in seiner lauteren Einzigkeit in den Grund der Seele eintreten“). Dies ist zwar ein traditionelles Motiv, es bekommt aber durch die neuen Begriffsinhalte bei Eckhart eine hohe Bedeutung, da durch die Wesensentsprehung Gott — Seele beide als esse purum in völliger Eindeutigkeit bestimmt werden und beide einander nur kraft dieser Natur bereichen können, das aber total.

Der Begriff des Seelengrundes verknüpft sich terminologisch und sachlich mit dem Begriff der Demut, deren Wesen aud als „Grund der Demütigkeit“ bezeichnet wird’). Damit dürfte auch der dem Begriffsbereich der Abgeschiedenheit zugehörige Termi3) Pf. 83:—1 151,11:..... Got ist in dem grund der sel mit aller siner

gotheit Pf. 56: 180,59: Got ist in der sele-mit siner nature, mit sime wesenne unde mit siner gotheit und er enist doch niht diu sele. cf. BgTr. 42,25.

s®) Pf. 21:89,25. Der grunt gotes un der selen sin ein wesen. In den grunt der selen mac nit denne luter gotheit. cf. 98: 317,11; 100: 321, 38.

0) Jostes 10,22; Pf. 46: 155, 17 ff.

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