Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

einen direkt auszusprechenden Widerspruch, wenn er das Wesen der Seele nunmehr als Intellekt bestimmt, der nach der scholastischen Psychologie als Seelenkraft galt. Entscheidend aber ist, daß hier die scholastische Psychologie gar nicht zu Grunde liegt, sondern die idealistische augustinischer und platonischer Herkunft. Die Seele ist Intellekt. Daran unterscheidet Eckhart den Intellekt als Natur und als Erkennen. Dieses Letztere ist gegenüber der Natur das Höhere, das supernaturale. In Anlehnung an platonisch-augustinische Gedankengänge bezeichnet er nun intellectus, veritas, virtus, sciencia als die übernatürliche Welt, den Bereich des sensus, verisimile und der opinio als die untere, natürliche Welt. Da nun die heiligmachende Gnade aucd gracia supernaturalis genannt wird, Gleiches aber nur durch Gleiches empfangen werden kann, so kann sie nur gegeben werden in die regio supernaturalis, in den Intellekt als solchen, der damit als das Wesen der Seele ausgezeichnet wird. Auch in den deutschen Predigten wird die Vernunft, die oberste Kraft der Seele, der „man der sele“ zugleich als Einheit aller Seelenkräfte bezeichnet und somit ihm die psychologisch-systematische Stellung des Seelenwesens zuerkannt“). Ein weiterer Beweis für die Gleichsetzung der obersten Seelenkraft mit dem Wesen der Seele ergibt sich aus dem der scholastischen Erkenntnispsychologie entnommenen Motiv der parallelen Erkenntnisentsprehung: Die Seelenkräfte erkennen die personalen Attribute Gottes: der Wille die Güte, der Intellekt die Wahrheit, das Wesen der Seele aber erkenne Gott in seinem lauteren Wesen. Nun läßt Eckhart das lautere Wesen Gottes erkannt werden von dem „man der sele“, der obersten Seelenkraft: Vernünftigkeit"). Diese Gleichsetzung von Seelenkraft und Seelenwesen ist jedoch nur ein Vorproblem zu dem eigentlichen Kernstück: der Korrelation und der Wesensgleichheit mit Gott.

Es ist sehr bezeichnend, daß Eckhart den Intellekt, den Bereich der Wahrheit und Weisheit als de übernatürliche Welt bestimmt”) und damit nicht eine Kluft zwischen Mensch und Gott aufreißt, Gott nicht für den Menschen absolut transcendent macht,

00) cf. Pf. 19: 81,6; 36: 195, 17.

01) Pf. 25: 97,26: 50: 108,10; 51:110,7; 42: 144, 31 ff.; 84: 270,25 ff.; Den. 567, 14 ff.

#2) Den. 567,14: substantie ut sic, quam li ego signat, non est capax hie mundus nec dignus set solus intellectus; nec hie inquantum natura nee ens nature, sed inquantum altius quid ntura .. Augustinus etiam platonice et cum Platone dieit, quod sapientia et veritas non sunt in hoc mundo, (sed in alio) altiori scilicet mundo intellectuali. cf. TV 360 ff.

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