Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

den, so wird an anderer Stelle (III 415,10) die Wesenseinheit direkt naturhaft bestehend ausgesprochen und zwar bezeichnender Weise wiederum im Anschluß an denselben Paulusvers, den Eckhart im BgTr. 8,8 als Schriftautorität benutzte: genus Dei sumus. Zum Geschlechte Gottes gehören wir kraft unseres Intellekts. Nun aber heißt der daraus folgende Gedanke nicht mehr: trotzdem sind wir geschaffen nach dem Bilde Gottes, sondern mit einer nur kleinen Änderung der fast gleichen sprachlichen Wendung kehrt Eckhart den Sinn des Satzes total um: „undebenandiesemIntellektsindwirnaddem Bilde Gottesungeschaffen!“”). Beide Stellen tendieren auf dasselbe: auf die Wesenseinheit der Vernunft mit Gott. Darum hat der Begriff der Geschaffenheit im BgTr. 8,10 keine prinzipielle Bedeutung mehr, er ist für eine systematische Interpretation belanglos geworden. Es läßt sich somit wiederum als Ergebnis feststellen: die Wesenseinheit der Vernunft mit Gott bei polarer Distanz: die korrelative Immanenz des Gott in mir und Ich in Gott“).

Einen für die Bestimmung der Interpretationsmethode außerordentlich aufschlußreichen Text bietet im Hinblick auf das vorliegende Problem die Predigt Pf. 75, in der Eckhart mit einem ungeheuren Schwung des Gedankens und der Sprache die Wesensidentität des natürlichen Lichts der Vernünftigkeit mit dem Wesen Gottes feststellt: Beide sind höher, als mit den personalen Attributen Gottes: der Weisheit (Sohn) und der Güte (Geist) ausgedrückt werden kann. Vernünftigkeit ist ihr Ursprung. In dem Augenblick, als der immanent schon notwendig gewordene Schluß einer Wesensidentität des Seelengrundes der Vernünftiskeit mit dem Grunde und Wesen Gottes gezogen werden muß, scheint Eckhart gleichsam vor der Kühnheit seines eigenen Gedankens zu erschre&ken. Der feurige Elan höchster Begeisterung der Einsicht, der schon fast bis an die Grenze jeder Sagbarkeit gekommen ist entbehrt plötzlich der inneren Kraft und des inneren Rückhalts, und an seine Stelle tritt die Lahmheit traditioneller Gedankenführung. So beginnt Eckhart (229,1—2, 7—16): „Daz natiurlich 316) ]]] 415,10: Jumen .... sapiencie, sub racione sapiencie, non reci-

pitur in corporibus, sed nec in anima racionali, ut natura sive ens est in natura, sed in ipso solo, inquantum intellectus est superius, aliquid est et divinius, secundum quod „genus Dei sumus“ ..., secundum quod ad imaginem sumusin-

creati Dei; eo enim imago est, quo Dei capax est...cf. n 414. a0) Pf. 63: 199,25: diu obriste kraft der sele in der got bloz liuhtet,

wan in die kraft enkumt anders nit wan got ... diu kraft (se, der man, die vernunft) ist alle zit in gote. cf. z. 37£f.: in gote!

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