Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

lieht der vernünftekeit, daz got in die s&le gegossen hät, daz ist so edel unde so kreftie, daz im enge und klein ist allez, daz got ie geschuof an liplichen dingen .... Ez wirt lüterr und liehter denne diu sunne, wan ez scheidet von den dingen liplichkeit unde zitlichkeit. Diz lieht ist ouch sö wit, daz ez der wite entwahset. Ez ist witer dan diu wite, ez entwahset der wisheit und der güete, alse got entwahset der wisheit unde der güete, wan got der enist weder wisheit noch güete, mer von gote kumet wisheit unde güete. Vernünftekeit enwirt niht von wisheit noch vernünftekeit engät niht üz von der wärheit noch enwirt von ir niht geborn alse der wille von der güete. Wan von der güete wil der wille und wirt da von geborn unde (wärheit)””) gät üz von vernünftekeit unde niht vernünftekeit von der wärheit“, und wie nun der Gedanke gleichsam ausholt, um in höchster Kühnheit die letzte Konsequenz zu ziehen: „...undistdizlieht...“ da folgt in fast Heinescher Art, in ungewollter und unbewußter Selbstironie die Wendung: „dieses Licht ist die Erkenntnis, die erst aus der Vernünftigkeit entspringt, und es ist recht eigentlih nur wie ein Lichtstreifen gegen die Sonne der Vernünftigkeit, wie sie in ihrem Wesen ist“, und um alle Kühnheit und Folgerichtigkeit der zuerst entwickelten Gedanken vollends zu vernichten, folgt darauf: „Es ist noch ein anderes Licht in der Seele, das Licht der Gnade... und allez daz lieht daz vernünftekeit geleisten mac, ist wider disem liehte als ein einiger tropfe wider dem mer, unde no& tüsentmäl kleiner“ (229, 26)! Gleichwohl heißt es im weiteren Verlauf der Predigt: Gott spreche sein „Wort“ in die Vernünftigkeit, denn das „Wort“ sei der Vernunft eigen und stehe in der Vernunft (250,25). Wenn das Licht der Vernünftigkeit in der Weise unter das Licht der Gnade herabgewürdigt wird, wie es im ersten Teil der Predigt geschieht, dann wäre diese wertlose menschliche Vernunft nicht würdig und fähig, das „Wort“ Gottes, seinen Sohn in sich aufzunehmen, und es könnte folgerichtig nicht gesagt werden: „Daz wort ist ein eigen der vernunft“, denn Gottes „Wort“ müßte doch dann über alle menschliche Vernunft sein! Wie ist dieser Widerspruch zu lösen? Entweder ist es so, wie ich sagte, Eckhart sei vor der eigenen Kühnheit zurückgewichen und habe sie mit den abschwäcenden Zusätzen wesenlos machen wollen, oder aber: Die abschwächenden Zusätze sind spätere Einschübe von fremder Hand! Auf jeden Fall hat die Interpretation, soweit sie die Theologie Ekharts nach systematischen Gesichtspunkten darstellt, sich um diese Widerrufe und Abschwächungen nicht zu kümmern. Dafür dürfte auch der

#7) Konjektur des Verfassers.

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