Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

tümlich reizvolles Spiel, in dem die Einfachheit seiner Überlegungen und die Findeutigkeit seiner Begriffe sich bewährt, wenn man als Hintergrund etwa den thomistischen Naturbegriff nimmt. Der „korrekte“ Satz, daß Gott das Bild in alle Seelen natürlich gedrückt hat (69,10), entspricht der thomistischen imago creationis, der naturalis aptitudo ad cognoscendum et amandum Deum. Wenn das Bild nun ein „natürlich bilde gotes“ genannt wird, so ist der Begriff des „Natürlichen“ nicht in dem abwertenden Sinn des bloß Kreatürlihen verstanden als kreatürlich-natürlihe „Ähnlichkeit“ (similitudo) Gottes, sondern der Ausdruck besagt: Bild der Gottesnatur, die sich total dem Bild mitteilt, so daß das Bild dieselbe Natur hat wie Gott. In diesem Sinn ist es ein „natürlich bilde gotes“, nicht eine fremde, heterogene Nachahmung, so daß Gott dem Id, seinem Bild, nicht in der Relation Schöpfer — Geschöpf gegenübersteht, in unendlicher Ferne beide auseinander, sondern in der von Vater und Sohn in korrelativer Immanenz, in Wesenseinheit bei polarer Distanz, welche Distanz niht ein Ausdruck der Ferne, sondern nunmehr gerade der Nähe ist, des Miteinander, des Zwei-aus-Einem**).

Was die Scholastik nur den prädestinierten Seligen im Jenseits vorbehalten hatte: die vollkommene similitudo mit Gott, das erkennt Eckhart grundsätzlich allgemein allen Menschen als Naturgabe zu, nicht etwa aus einem besonderen göttlichen Gnadenakt verliehen*”), und zwar nicht als ein Leben nach dem Tode, sondern als ein Erleben in der Welt. Freilich bedarf es dazu auch der „Abscheidung“, damit das in der Seele verborgene Bild, Gottes Sohn, offenbar werde: aber die Abscheidung ist eben kein physisches Sterben, sondern eine seelische Haltung, und es wird auch nicht eine kreatürlich-natürliche imago erhöht. sondern eine in der Seele angelegte gottnatürliche, mit Gott total

des bilde ez ist, und hät ein wesen mit ime und ist daz selbe wesen.

#1) Pf. 14:69, 4: Hie ist got äne mitel in dem bilde unde daz bilde ist äne mitel in gote.... Hie nimet daz bilde niht got als er ein schepfer ist, sunder ez nimet in als er ein vernünftie wesen ist, und daz edelste der näture erbildet sich aller eigenlichest in daz bilde. Diz ist ein naturlich bilde gotes, daz got in alle selen naturlich gedrucet hat... cf. z, 15-26. Pf. 79: 256,5: Diu sele gebirt uzer ir got uz got in got, si gebirt in rehte uzer ir, daz tuot si in dem, dä si gote nähe ist, dä ist si einbilde gotes. cf. die außerordentlich prägnanten Texte: Pf. 20:85,29—-86, 4: 42: 144, 17 ff.: 47:158,6ff.; 49: 163,27 ff.: 63: 198, 30 ff.; 85: I 152, 31 £f.

422). Pf. 44: 69, 14.

210