Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

Diese Dualität von Natur und Geist bringt Eckhart bei dem Motiv des neuen und alten Menschen auf die allgemeine logische Formel von Sein und Nichts. Der neue Mensch ist der Seiende, der alte, kreatürliche Mensch ist der Sünder, der Nichtseiende*”).

Die reine Form des inneren Menschen ist verdeckt durch die kreatürliche Natur, aber der Same Gottes liegt in ihm, der bei sorgsamer Pflege zu Gott aufwächst, und es ist die Frucht eine mit Gott wesensgleiche Natur: „und wurde diu frucht geliche ein natüre gotes. Birboumes same wahset ze birboume und nusbomes same ze nusboum: same gotes in got zuo got“ (BgTr. 45,15ff). Dann wirt der innere Mensch Sohn Gottes (Sp. 14B,5: homo interior: filius).

Es ist ein Zeichen für E&kharts ungeheuren Optimismus zugleich und die Konsequenz seiner theologischen Grundhaltung, daß er grundsätzlich jedem Menschen das höchste religiöse Erleben, das ewige Leben zuerkennt. Das Bild Gottes in der Seele kann wohl verdeckt, aber niemals vernichtet werden, denn es hat ein unaufhörliches Neigen und Streben zu Gott (BgTr. 43,6, 22; 46, 10.

Es könnte der Einwand erhoben werden, Eckhart habe in der Predigt vom edlen Menschen jeden Schein einer kirchlichen Inkorrektheit dadurch von vornherein vermieden, daß er zu Beginn der Predigt ausdrücklich die Unterscheidung von Natur und Gnade mache (BgTr. 41,9). Nun hat die Kirche von ihrem Standpunkt aus mit Recht den oben erwähnten Satz zensiert, daß die Fruct, die sich aus dem Samen Gottes im inneren Menschen bilde, in gleicher Weise eine Natur Gottes würde, und daß der Same Gottes in Gott zu Gott wachse. Wenn von dem Samen, der im Menschen liegt, gesagt wird, er wachse in Gott zu Gott, so ist damit die Immanenz des Ich in Gott ausgesprochen und die absolute Transcendenz Gottes aufgehoben. Für die Wesenseinheit des inneren, edlen Menschen mit Gott spricht u. a. auch BgTr. 48,11 ff: der edle Mensch sei „ploz wesen, warheit und güeti‘. Diese Reinheit des Wesens aber ist nicht ein Gnadengeschenk Gottes, sondern sie ist naturhaft angelegt in uns, sie muß nur herausgeshält werden, wie das Metall von der Decke des Rostes befreit wird, oder „so ein meister bilde machet von holtz oder von steine, er treit das bilde nit in das holtze, mer er schnidet abe die spene, die das bilde verborgen und bedecket hatten, er git dem holtze nit, er benimet ime unt grebet uz die decke und nimet abe den rost, unt denne so glenzet das dar under verborgen was. dis ist der schatze der verborgen lit in dem

#15) cf. IV 265,23 ff.

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