Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

durch mandherlei logische Sicherungen in ihrer absoluten Trans-

eendenz nach beiden Seiten, der Substanz und dem Akzidenz,

geschützt wird. Damit Christus das ganze Menschengeschlecht erlösen kann, muß er selbst Mensch werden und zwar eine solche

Bestimmung annehmen, durch die er im Wesen alle Menschen

befaßt: die allgemeine Menschennatur, nicht eine individuelle

Person. Auf Grund dieses die ganze Species Mensch umfassenden

Begriffs könnte aber jedem einzelnen Menschen prinzipiell die

Möglichkeit zugesprochen werden, Gottes Sohn zu werden, da er

ja dieselbe Natur wie Christus hat. Daher wird der Species-

begriff auf einen Individualbegriff eingeschränkt; wiederum in einer exakt gar nicht bestimmbaren Weise eines mittleren Seins zwischen Species und Individuum durch die Setzung der natura in atomo®“). Die humana natura in Christo ist somit nur ein quoddam individuum, weil sie als Gattungsbegriff keine Person ist und nur in der Person Christi subsistiert.

Die Subsistenz im Verbum führt zu einer neuen Bestimmung, die durch den Begriff der allgemeinen Menschennatur als

Gattungsbegriff gerade beseitigt schien: da die „individuell-all-

gemeine Menschennatur” Christi im Verbum subsistiert, empfängt

sie mit von seiner Vollkommenheit und ist darum edler und vornehmer als die Menscennatur in uns, sie ist der Erstgeborene unter vielen Brüdern“*). Diese Gradabstufung wird sodann auch prinzipiell in den Begriff der Menschennatur hineingetragen, wodurdı die Einheit des Speciesbegriffs der humana natura vernichtet wird. Thomas stellt ferner die ontologisch außerordentlich bedeutsame Frage, welche Menschennatur Christus denn nun annehme, die von allen Individuen abstrahierte oder die allen Individuen immanente, denn die von ihm angenommene

Natur muß doch irgendwo real existieren. Es trifft weder das

Eine noch das Ändere zu, denn

1) die abstrakte Menschennatur existiert nur als Idee im Geist Gottes und als abstrahiertes Erkenntnisbild im Geist des Menschen; sie existiert nicht an sich. In beiden Fällen aber wird mit ihrer Annahme durch Christus nicht dem Erfordernis der Erlösung entsprochen (S. Th. III 4,4).

2) die allen Individuen immanente Menschennatur kann Christus nicht annehmen, weil ja dann die Menge der Einzelsubstanzen der menschlichen Natur aufgehoben und der Gradunterschied zwischen den einzelnen Menschennaturen hinfällig würde (ib. a. 5).

#0) S. Th. II, 2,2 ad 3; III 4,2 ad 1. 51) S, Th. III 2,2 ad 2 u. ad 3; III 4,5c,

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