Der Gottesbegriff meister Eckharts : ein beitrag zur bestimmung der methode der Eskhartinterpretation

ja nicht mehr als Kreatur gefaßt ist, sondern nur die individuelle Bestimmtheit der Person kreatürlich ist — so ergibt sih die ganze Absurdität der Problemstellung. Die Kreatur, die Gott werden soll, soll ja gerade abgeschieden werden, weil sie das Nichts ist, das den Menschen von seinem Wesen, der Menscheit und somit von Gott trennt. Hüetet iuch, daz ir iuch niht nemet nach dem, daz ir dirre noch der iht sit, sunder nement iuch nach der frien ungeteilten menschlichen nature. Dar umbe welt ir ein sun sin, so scheidet iuch von allen niht, wan niht madet underscheid. Wie? Daz merket, daz du niht bist der mensche. Daz niht machet underscheid zwishen dir und dem menschen. Welt ir sin äne underscheid, so scheidet iuch von niht“ (Pf. 47: 158, 18). Ich und der Mensch, Wesen und Erscheinung sind die zwei Momente des „Ih“. Das Ich ist der Christus, der Wesensursprung; der Mensch ist der „Adam“, die Kreatur. So wird das historische factum brutum Christus umgedeutet zu dem logischen Begriff des Wesens als des Ursprungs für die individuelle Erscheinung: „Ez st&t in dem buoche Moysi geschriben, daz Adam were der &rste mensche, den got ie geschuof. Und ich spriche, daz Kristus were der Erste mensche den got ie geschuof. Alse wie? Ez sprichet Aristoteles: das Erste in der meinunge ist daz leste von den werken“ (Pf. 77: 250,22 ff).

6. Die factio des Menschen.

Dies Motiv, das seiner Wortbezeichnung nach gerade das Gegenteil dessen über die Seele auszusagen scheint, was in den bisher betrachteten Korrelationsformen sich ergab, nämlich ihre Geschaffenheit, zeichnet sich dadurch charakteristisch aus, daß der Begriff des Machens nicht im Sinn einer Schöpfung, einer operatio ad extra, sondern als ein immanenter Wesensprozeß gefaßt ist, so daß das zu bearbeitende Material der Wirker selbst ist, das Produkt mit ihm wesens- und formgleich und innerhalb seiner selbst verbleibt: „Daz ich mache, daz mache ich selbe und mit mir selben und in mir selben und drücke min bilde zemäle dar in“ (Pf. 56: 179,27). „Da man ein dine machet, da muoz daz allerinnerste der s@le in die üzwendikeit komen des menschen“ (Pf. 77: 250,9). Diesem Wesensgesetz unterliegt die factio des Menschen, der Seele durch Gott, die somit in den innertrinitarischen Prozeß hereingezogen wird. In der Predigt Pf. 56 steht die Seele zwar als Pol der gesamten Trinität gegenüber und wird als Gott gleich bezeichnet”).

°0) Pf. 56: 179,29-35, 180,1 ff.

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