Die Physiognomie des Menschen

vermenscliche diese Formen und beseele die Natur auch außerhalb der Menschenseele.

Dieser schlimmste Unsinn der Neuzeit, welcher die Belebung der Natur vom Menschen ausgehn ließ — also gleichsam den toten Fleck im Auge für den Punkt des Sehens erklärte — war der Ausgangspunkt meines Mißtrauens. Meine Ahmungspsychologie verkehrte das Verhältnis: Es gibt kein „Einfühlen eines Subjekts in Objekte“, sondern: Das Auseinandertreten in eine Lebens- und Bewegungssphäre hüben und in die objektive Ding-, Sach- und Gegenstandswelt drüben ist nur ein sekundäres und mittelbares Geschehnis, durch welches zerbrodıen, ja abgetötet wird die im Fühlen immer lebendige und immer ursprüngliche Einheit jenseits der für das Bewußtsein unvermeidlichen Relation: Subjekt-Objekt.

Dieses Einssein mit allem Erfahrbaren füllt noch die Tage der Kindheit. Aber in den von Interessen und Bestrebungen immer mehr beherrschten Erwachsenen schwindet die Lebensnähe, ähnlich wie die Sterne nicht mehr sichtbar sind, weil die Sonne die Hinterwelten überglänzt. Dennoch beharrt das All-im-All-sein als unser Urzustand hinter dem Leben, sofern wir nur lebendig bleiben.

So wäre denn die alte Zwei-Welten-Lehre durchschaut und für die Theorie beseitigt. Aber immer noch zerklüftet sie die Praxis des tätig Handelnden. Alle Erfahrungswissenschaft zerfällt in zwei Hälften: eine psychologishe und eine physikalische. Die Psychologie setzte ihren Stolz darein, bei der Analyse unmittelbar gegebener Bewußtseinstatbestände so zu verfahren, als ob die Welt des Leibes und der Körper, die „materiale Außenwelt“ gar nicht da sei. Und so endete sie denn bei den als Phänomenologie bezeichneten reinen Begriffsanalysen der Logiker und Mathematiker. Die Physik dagegen setzte ihren Stolz darein, die

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