Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

102 IV. Jm Dienſte der europäiſchen Reaktion.

der mohammedaniſchen Gewaltherrſchaft erlöſt werden würden. Die Angliederung ihres Landes an die habsburgiſch-lothringiſche Monarchie war ihr ſehnlicher Wunſch. Als nun Georg Petrovic — Kara Georg, der ſhwarze Georg — ſeine Scharen zur Befreiung der Serben ſammelte, blidte er wieder erwartungsvoll nah Wien. Er war bereit, Öſterreich das ſerbiſche Land zu überlaſſen und erbat ſich einen kaiſerlichen Prinzen als Statthalter. Nur wenn Öſterreich keinen Beiſtand leihen mochte, wollte er um Rußlands Hilfe anſuchen. Aber die Wiener Staatsmänner blieben kühl bis ans Herz hinan, denn ſie hatten keine Luſt, ſih das Wohlwollen der Türkei zu verſcherzen. Jn den Jahren des wechſelvollen ſerbiſchen Aufſtandes wurden die Fäden mit Wien immer wieder angeknüpft, immer aufs neue Verſuche getnacht, das Land unter Öſterreichs Oberherrſchaft zu ſtellen. Vergeblih! Dagegen fanden die Aufſtändiſchen endlich bei Rußland Schuß, als dieſer Staat im Dezember 1806 der Pforte den Krieg erklärte. Indes, das Buhlen um die Gunſt Öſterreichs hörte nicht auf. Oft wurden mit öſterreichiſchen Vertrauensperſonen Verhandlungen angeknüpft, ohne daß jedo<h das erwünſchte Reſultat erzielt worden wäre. Graf Stadion begünſtigte eine türkenfreundliche Politik und Metternich folgte darin — leider nur darin — den Spuren ſeines Vorgängers. Kein Wunder, daß die öſterreichfreundlichen Strömungen in Serbien allmählich verebbten und daß die Freundſchaft für Rußland von den Gemütern Beſitz ergriff. Allerdings brachte die Unterſtüßung durch das nordiſche Reich keinen Segen. Rußland, das viel brüderliche Liebe heuchelte, <hloß im Mai 1812 mit der Hohen Pforte einen Frieden, der zwar au<h den Wünſchen des ſerbiſchen Volkes Rechnung trug, aber ohne in Wirklichkeit eine Beſſerung ſeiner Verhältniſſe herbeizuführen. Kara Georg mußte es nun wieder ſelbſt verſuchen, ſeines Glü>tes Schmied zu ſein, zumal da Öſterreich untätig blieb. Es war die Zeit der Napoleoniſchen Bedrü>kung und die habsburg-lothringiſche Monarchie harrte ſelbſt der rettenden Stunde. Die Übermacht der Türken ſiegte und Kara Georg verließ mit ſeinen Getreuen das Vaterland. Etwa 9000 Serben ſuchten und fanden in Öſterreich Zuflucht. Aber die Reibereien zwiſchen den Serben und Türken nahm kein Ende und die chriſtliche Bevölkerung griff in ihrer harten Bedrängnis abermals zum Schwerte. Milos Obrenovic widerſtand zwar anfangs der Aufforderung, den Aufſtändiſchen ein Führer zu ſein, ja er kämpfte ſogar gegen ſie. Jm Jahre 1815 kehrte er jedo< den Türken den Rücken, indem er ſich der Sache ſeines Volkes rührig annahm. Der zweite ſerbiſche Aufſtand, der