Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

B. Öſterreichs orientaliſche Politik. 109

nicht einſhüchtern. Brüsk wies ſie jeden Vorſchlag ab, während ſie gleichzeitig Veranſtaltungen traf, um die aufrühreriſchen Griechen niederzuwerfen. Da ſtarb Georg Canning im entſcheidenden Augenblide und Metternich atmete erleichtert auf. Denn in dem engliſchen Politiker hatte er ſeinen ſtärkſten und überlegenſten Rivalen gehaßt. Für ihn war Canning nur ein Jakobiner auf der Miniſterbank, ein fataler Störenfried, der die ſ<höne Ordnung Europas in Gefahr brachte. Um ſo emſiger ſuchte ſih der Staatskanzler jezt bei der Türkei Gehör zu verſchaffen, und es gelang ihm ſ{<ließli<, die Pforte dahin zu bringen, Öſterreichs gute Dienſte bei den Mächten anzurufen. Schon glaubte Metternich, wieder den erſten Lichtſtrahl zu erſpähen, als eine aufregende Nachricht durch die Länder jagte. Jn der Zeit des internationalen Friedens — der Kampf zwi= ſchen den Türken und Griechen war ja eigentli eine innerſtaatliche Angelegenheit des osmaniſchen Reiches — hatte es bei Navarin im Oktober 1827 eine Seeſchlacht gegeben. Die türkiſh-ägyptiſche Flotte war mit dem engliſch-ruſſiſh-franzöſiſchen Geſchwader zuſammengeſtoßen und von dieſem faſt vernihtet worden. Jn weniger als zwei Stunden verſanken 55 türkiſch-ägyptiſhe Schiſſe; nur 27 Fahrzeuge blieben dem Sultan erhalten.

Jn ganz Europa herrſchte hellſte Freude, überall begrüßte man die Kunde von dem Ereigniſſe bei, Navarin als frohe Botſchaft. Nur in den Wiener leitenden Kreiſen konnte man ſich vor Ärger und Entrüſtung nicht faſſen. Nun waren alle weiteren Friedensvermittlungen unmöglich gemacht und ein verhängnisvoller Krieg mußte beginnen. Jm Frühjahr 1828 warf Zar Nikolaus dem Sultan den Fehdehandſchuh hin. Das erſte Jahr des Feldzuges war für Rußland nicht günſtig, aber das Verſäumte wurde in der Folge wettgemacht. General Diebitſch, ein geborener Preuße, führte die ruſſiſche Armee zum Siege. Am 14. September 1829 kam der Friede zu Adrianopel zuſtande, durch den der Sultan einige Gebiets=abtretungen an Rußland vornahm und ſi< verpflichtete, die Beſchlüſſe der in London tagenden griechiſchen Konferenz auszuführen. Viereinhalb Monate ſpäter ſicherte man in London die Exiſtenz des ſelbſtändigen grie<hiſhen Staates.

Metterni<hs Anſehen, das bereits früher gelitten, war in der leßten Zeit bedeutend erſchüttert worden. Abermals hatte der öſterreichiſche Staatsfkanzler das Wort ergriffen, um für die Freiheit Griechenlands zu plädieren, doh man nahm ihn wieder nicht ernſt und es gelang ihm nicht, die drei verbündeten Mächte, Rußland,