Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

124 V. Stille Zeiten.

bar vor ſeinem Tode hatte er ſeinem Sohne geſchrieben: „Verrüke ni><ts in den Grundlagen des Staatsgebäudes; regiere und verändere niht; .….. ſchenke meinem Bruder, dem Erzherzog Ludwig, der mir in ſo vielen wichtigen Regierungsgeſchäften ſtets mit treuem Rate beiſtand, volles Vertrauen. Ziehe ihn in wichtigen inneren Angelegenheiten fortan zu Rate. .…. Übertrage auf den Fürſten Metternich, meinen treueſten Diener und Freund, das Vertrauen, das ih ihm während einer ſo langen Reihe von Jahren gewidmet habe. Faſſe über öffentliche Angelegenheiten wie über Perſoaten keine Beſchlüſſe, ohne thn gehört zu haben. Dagegen mache ih es ihm zur Pflicht, gegen Dich mit derſelben Aufrichtigkeit und treuen Anhänglichkeit vorzugehen, die er mir ſtets bewieſen hat.“ Ferdinand, der nun Kaiſer von Öſterreich wurde, hielt ſich ſtrenge an die Weiſungen ſeines Vaters. Mit 42 Jahren beſtieg er den Thron, aber er war ein Neuling in allen Geſchäften. Große Güte, herzliches Wohlwollen, ein ſtets hilfsbereiter Sinn zeihneten ihn vorteilhaft aus. Doch der Monarch war durch eine Krankheit gehindert, den ſchwierigen Aufgaben eines Herrſchers zu genügen; die Leitung des Staates entglitt vollſtändig ſeinen Händen. Er hörte die Vorträge der Miniſter und Ratgeber willig, wenngleich kritiklos an und zeigte ſich ſtets bereit, ſeine Unterſchrift auf die ihm vorgelegten Akten zu ſehen. Selbſt die Erfüllung der repräſentativen Pflichten fiel dem Kaiſer ſchwer; kaum konnte er fih daran gewöhnen, die Worte ſorgſam auf die Wagſchale zu legen. Wehmütig ſchrieb Freiherr von Kübeck in ſein Tagebuch: „Wir haben jetzt eine abſolute Monarchie ohne Monarchen.“

Mehmed-Ali wurde neuerdings für Jahre das Sorgenkind der europäiſchen Diplomaten. Der brennende Ehrgeiz des tatenfrohen Vizekönigs von Ägypten ließ die Staatsmänner der Großmächte niht zur Ruhe kommen. Jmmer weiter ſte>te Mehmed-Ali ſeine Ziele, immer höher ſtrebte er. Die volle Unabhängigkeit ſeiner Provinzen war die große Sehnſucht ſeines Lebens geworden, obgleich er mit vielem Geſchi>e ſtets den Schein wahrte, al3 würde er ein ergebener Diener des Sultans ſein. Aber wenn ſchon die hochfliegenden Wünſche nicht in Erfüllung gehen konnten, ſo wollte der Vizekönig wenigſtens die Erblichkeit ſeine3 ganzen Länderbeſizes für ſeine Familie erlangen. Zu dieſem Zwecke ſuchte er den Harem des Sultans für ſi<h zu gewinnen; ebenſo ließ er die ihm wohlgeſinnten Franzoſen für ſich arbeiten. Mehr jedo<h als die Erblichkeit ſeiner Herrſchaft in Ägypten war nicht zu erwirken. Da