Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.
128 V. Stille Zeiten.
als Ludwig von Benedek die Krakauer Jnſurgenten auseinandergeſprengt hatte.
Jett wollte der Zar nicht mehr länger zuſehen, und er drängte Metternich zur Vollführung des leßten Streiches. Wenn man ſich von Wien aus nicht des Freiſtaates bemächtigen würde, dann wäre Nikolaus gezwungen, ihn an ſich zu reißen, hieß es. Unter diejen Umſtänden zögerte die öſterreichiſche Regierung niht länger; ſie erbat ſih nur von Rußland die Rechtfertigung und Verteidigung ihres Vorgehens beim Berliner Hoſe. Dort war man ſreili<h von dem Vorhaben nicht entzückt, zumal da für Preußen vielerlei Handelsintereſſen in Frage kamen. Schließlich wurde die Zuſtimmung gegeben und man forderte nur, daß die endgültige Regelung der Angelegenheit demnächſt bei einer Konferenz ſtattfinden möge. Jm November kam dann ein Vertrag zuſtande, durch den die Berliner Regierung die Angliederung Krakaus an Öſterreich genehmigte. Jeßt konnte Metternich an die Kabinette von Paris und London herantreten. Er wußte wohl, daß er von dort gewichtige Vorſtellungen und leidenſchaftliche Einwendungen zu erwarten habe, aber er ſah den Proteſten mit kühler Ruhe entgegen, weil er als gewiegter Diplomat mit der Entfremdung rechnete, die ſich in der legten Zeit zwiſchen dem franzöſiſchen und dem engliſchen Hofe und den beiden Regierungen geltend gemacht hatte. Wirklich begann auch in Paris und London ein arges Keſſeltreiben gegen Öſterreich, das jedoh in Wien die gute Laune nicht verdarb. Übrigens beſtrebte ſich König Ludwig Philipp, die energiſchen Worte ſeiner Regierung privat abzuſhwäcen. Das diplomatiſche Gezänke konnte Öſterreich nicht viel anhaben; man hielt in Wien einen Krieg wegen des Freiſtaates Krakau für ausgeſchloſſen. Überdies hatte man die Einverleibung bereits am 11. November 1846 feierlih ausgeſprochen. Es wurde darum nux ein harmloſer Federſtreit geführt. Jmmerhin war Prinz Albert, der Gemahl der Königin Viktoria berechtigt zu ſchreiben: „Durch den unglücklichen Schritt Öſterreichs in betreff Krakaus iſt von der Seite her, von der man es am wenigſten hätte erwarten ſollen, die Baſis der Verträge erſchüttert worden, auf welcher daë ganze Friedensgebäude und das europäiſche Gleichgewicht nun ſhon 31 Jahre ruht 1). ;
Mit wachſendem Mißbehagen verfolgte Metternich die Ereigniſſe in Jtalien. Jm Jahre 1846 war Gregor XVI., der als geborener
1) Alfred Stern. Geſchichte Europas von 1815—1871. 6. Band.