Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

VI. Metternichs Sturz. 131

die Revolution ausgebrochen, und am 24. Februar hatte Ludwig Philipp mit großen Buchſtaben auf ein ihm dargereichtes Blatt Papier den Entſchluß ſeiner Abdankung geſetzt. Als die erſten ſpürlichen Nachrichten von den Vorgängen in Frankreich in Wien einlangten, überſah man noch nicht die Tragweite der Ereigniſſe. Gleichgültig meinte der Staatsfkanzler: „Der König kennt ſeine Pariſer und das Feuer, das Guizot zur Flamme anwachſen ließ, wird Thiers bald zu bändigen wiſſen.“ Je mehr man jedoch von den Geſchehniſſen erfuhr, deſto überraſchter und faſſungsloſer wurde man in der Staatskanzlei. Metternich fühlte ſich um viele Jahre zurückgeführt; traurig verſicherte er, Europa ſtehe jezt dem Jahre 1793 gegenüber, nur daß das damalige Europa für die Krankheit, welche in jener Zeit Frankreich verwüſtete, weniger empfänglih war als nun. „„Greuelſzenen der raffinierteſten Art“ ſchienen ihm unvermeidlih zu ſein. Nur an eines wollte er nicht denken: an ſeinen Sturz.

Und dennoch, die Herrſchaft Metternichs ging mit Rieſenſchritten ihrem Ende zu. Am 13. März 1848 erhob ſich die nah Freiheit ſtrebende Bévölkerung Wiens und ihr ſolange zurü>gehaltener Haß wandte ſich vor allem gegen die Perſönlichkeit, die ihr als Verkörpe=rung der rü>ſchrittlichen Politik galt. Die in der Hofburg erſchienenen Vertreter der Bürgerſchaft forderten zähe die Demiſſion des greiſen Staatsfanzlers. „Durchlaucht, wir haben nichts gegen Jhre Perſon, aber alles gegen Jhr Syſtem !“ wurde dem Fürſten Metter=nich zugerufen, als er ſi bereit erfſäct hatte, dem Drucke nachzu=geben. „Jh trete vor einer höheren Gewalt zurü>, als die des Regenten ſelbſt iſt“, heißt es in dem eilig hingeworfenen Entlaſſungsgeſuche vom 13. März. Eine höhere Gewalt! Das Volk, das Metterni in ſeinen Kalkülen nie beachten wollte, deſſen Sehnſucht ihn gleichgültig ließ, deſſen Hoffnungen er verachtete: dieſer Rieſe warf, ſeiner Kraft bewußt geworden, den Staatsmann mitleidlos zu Boden.

Fluchtartig mußte Metternich das aufgeregte Wien verlaſſen, und geſtern noh der Mächtigſten einer, irrte er jezt voll Angſt dur< Öſterreich, um im Auslande irgendwo ein | <üßgendes Aſyl zu ſuchen. Jämmerlich war ſeine Regierung zuſammengebrohen. Der Staatsmann, der Europa in dumpfer Ruhe erhalten wollte, ſah, wie der ganze Kontinent förmlich in Brand geriet. Von Stadt zu Stadt drang das Feuer der Revolution und vernichtete raſch das Werk, dem die Arbeit einer faſt vierzigjährigen Miniſtertätigkeit gewidmet war. „Jh finde heute — ich kann die Dinge wenden und drehen wie

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