Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

18 I. Das Zeitalter der ſranzöſiſhen Revolution.

bei vielen maßgebenden Männern Öſterreichs. Thugut aber glaubte an ſeinen Stern und wollte nicht weichen, ehe das Kriegsglüct müchtig für Öſterreich geſprochen. Jn ſeinem Kopfe wälzten ſi bereits die Pläne für eine neue Koalition, für ein fraftvolles Zugreifen. Wohl ſtieg der Einfluß der Friedenspartei in Wien, wohl bedrohte und ſhmähte die Bevölkerung in der Kaiſerſtadt den Miniſter, in dem ſie richtig den ſtärkſten Gegner des Friedens vermutete, doh der ſtarre Staatsmann war lange nicht zu erſchüttern. Erſt als der Widerſtand ſeine Stellung zu gefährden ſchien, ließ ſi<h Thugut zu einem fleinen Schritte der Bereitwilligkeit herbei. Graf St. Julien wurde nach Paris geſchi>t, wo er ſich als ſchlechter Diplomat entpuppte. Statt ſich darauf zu beſchränken, Napoleon nach ſeinen Bedingungen zu befragen, ſ{<loß er auf eigene Fauſt einen demütigenden Frieden ab, der natürlich nur ein wirkfungsloſes Blatt Papier blieb 1). Dagegen war jezt Thugut geneigt, in Luneville ernſte Friedensverhandlungen mit Frankreich aufzunehmen. Graf Ludwig Cobenzl erſchien daſelbſt gegen Ende Oktober, um das bedeutungsvolle Werk der Verſtändigung zu vollbringen. Jn Luneville traf er mit dem Bruder Napoleons, mit Joſef Bonaparte zujammen, aber wie freundlich ſich der Franzoſe in der Form zeigte, in der Sache erzielte man keine Fortſchritte. Mittlerweile lief der Waſfenſtillſtand ab und die Entſcheidung lag neuerdings bei den Waffen. Der 3. Dezember 1800 war für Öſterreich ein Schre>enstag erſter Ordnung. Bei Hohenlinden wurden der unerfahrene, jugendliche Erzherzog Johann und ſein untüchtiger Ratgeber General Lauer von Moreau unerwartet überwältigt. Die Öſterreicher, die mit Zuverſicht in die Schlacht gezogen waren, verloren mit einem Male das

1) Graf Saint Julien war mehr Soldat als Diplomat. Der zweite Artikel des am 28, Juli vereinbarten Vertrages verpflichtete Kaiſer Franz, den Engländern ſeine Küſten und Häfen zu verſchließen — obwohl Öſterreich kurz vorher mit England ein Übereinkommen getroſſen hatte, wonach ſih das Junſelkönigreih verpflichtete, zweieinhalb Millionen Pfund Hilfsgelder zu zahlen. Dagegen jollte freilih Vſterreih bis Ende Februar 1801 ohne Zuſtimmung Englands kein Sonderabkommen mit Frankreich ſchließen. Der dritte Artikel nahm den Frieden von Campo Formio zur Baſis —, troßdem man in Wien dieſe Grundlage in einem dem Grafen Saint Julien mitgegebenen Schreiben abgelehnt hatte. Jm vierten Artikel wurde die Rheingrenze nach den Beſtimmungen des Raſtätter Kongreſſes Frankreich zugeſprochen — deſſelben Kongreſſes, deſſen Abmachungen Öſterreich veranlaßten, eine neue Koalition gegen die franzöſiſhe Übermacht zu bilden. (Siehe: Auguſt Fournier, Hiſtoriſche Studien und Skizzen, erſter Band. Prag 1885.)