Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

4 TT. Der Kampf gegen Napoleon.

Liebesbeweiſen ſür Napoleon niht fehlen. Nur ſo iſt das Verhalten des Kaiſers Franz gegenüber einem Geſchehniſſe zu erklären, das ganz Europa mit Schrecken erfüllte, weil es die Hinfälligkeit jedes dem Korſen niht genehmen Rechtszuſtandes grauſam zum Bewußtſein brachte.

Gegen den erſten Konſul wurde konſpiriert. Er war Verſchwörungen auf die Spur gekommen und wollte ein abſchre>endes Beiſpiel geben. Jm Deutſchen Reiche — in Baden — lebte der Herzog von Enghien, der den Verdacht auf ſih lenkte, mit den franzöſiſchen Royaliſten im Bunde zu ſein. Napoleon beauftragte darum — das Völkerrecht verhöhnend — ſeine Schergen, den Herzog in der Fremde zu ergreifen und nah Frankreich zu bringen. Dort wurde Enghien in Vincennes erſchoſſen. Dieſe Untat löſte in Wien Entrüſtung und Verlegenheit aus. Was tun? Kaiſer Franz hätte gegen den Einfall Napoleons in das deutſche Gebiet Einſpruch erheben müſſen, denn ihm oblag als Kaiſer die Wahrung des Anſehens von Deutſchland. Aber jeder ſhüchterne Anlauf zur Sühne des Frevels mußte den Zorn des Korſen entfeſſeln und man war daher entſchloſſen, die Angelegenheit auf ſih beruhen zu laſſen. Da miſchte ſich Rußland ungebeten in die Sache und erhob als Garant der Reichsverfaſſung Einſpruch. Auf der einen Seite drängte jeßt der Zar zur Tat, auf der andern Seite drohte des erſten Konſuls Rache. „Wir befinden uns“ — ſ{rieb Cobenzl im Mai 1804 — „zwiſchen Hammer und Ambos und immer ſchwieriger wird es, unſere paſſive Rolle beizubehalten, ſo wünſchenswert es wäre, ſie niht aufgeben zu müſſen.“ Da half ein ſ{<wä<hli<hes Doppelſpiel. Über Rußlands Aufforderung verlangte Kaiſer Franz „eine hinlänglihe beruhigende Aufklärung“ von der franzöſiſchen Regierung, während dem franzöſiſchen Geſandten in Wien gleichzeitig die Verſicherung gegeben wurde, Öſterreichs Vertreter auf dem Reichstage werde die Hände in den Schoß legen. Gerne ſ{loß man ſi<h darum in Regensburg dem Kurſürſten von Baden an, der in einem Atem kunſtfertig und knechtſelig dem Zaren dankte, Napoleon Bonaparte Vertrauen zum Ausdru>k brachte und den Wunſch äußerte, daß die Angelegenheit von der Tagesorduung abgeſeßt werden möge 1).

Paris war zum Mittelpunkte Europas, Napoleon zum Mittelpunkt von Paris geworden. Doch die Würde eines erſten Konſuls mit den Machtbefugniſſen eines Kaiſers genügte ihm nicht mehr; er

1) Auguſt Fournier. Genß und Cobenzl. Wien 1880.