Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

A. Öſterreichs Gegenwehr und Demütigung. 25

wollte auh äußerlih Kaiſer ſein. Jhm ſ{hwebte das Fmperium Karls des Großen al3 Jdeal vor, während ſein Miniſter riet, bei dem in Frankreich hergebrachten Königstitel zu bleiben. Aber Napoleon ſete ſeinen Wunſch durch. Von Öſterreich wurde verlangt, daß es zu dem Wandel ſofort ſeine Zuſtimmung gebe. Franz war nicht abgeneigt, Napoleon zur Krone zu verhelfen, denn er, der am ſiebſten jede Spur der Revolution getilgt hätte, hielt immer dafür, daß Frankreich ein monarchiſh regierter Staat werden ſolle. Nux wünſchte man, Napoleon möge den Königstitel annehmen. „Daß aber“ — heißt es in einem Vortrage — „Bonaparte ſich mit dem Königstitel niht begnügt, ſondern daß er na< dem Beiſpiele von Nußland nach dem Titel eines erblichen Kaiſers ſtrebt: dies unter=liegt wirklichen und großen Bedenken.“ Ergaben ſich doch daraus für Öſterreich bedeutungsvolle Konſequenzen. Deſſen Herrſcher war nur erblicher König von Böhmen und Ungarn; als deutſcher Kaiſer hing er von dem Reſultate der Wahl ab. Was ſollte geſchehen, wenn die Kurfürſten einmal gegen Habsburg-Lothringen ſtimmen würden ? Kaiſer Franz mußte ſih demnach gleichfalls den erblichen Kaiſertitel beilegen, damit Öſterreichs Gebieter nicht dereinſt weniger geſte als der Monarch von Rußland oder Frankreich. Und noh etwas: der deutſche Kaiſer war der erſte unter den gekrönten Häuptern und ſeine Würde geſtattete ihm den Vortritt. Darauf wollte Franz nicht ver=zichten. So gab es vielerlei peinliche Verhandlungen, bis endlich eine Übereinſtimmung erzielt ward. Napoleon nahm den Kaiſertitel") an und Franz erklärte — obwohl das eiferſüchtige Rußland und England Einwände erhoben hatten — am 10. Auguſt 1804 in einer Verſammlung von Miniſtern und höchſten Würdenträgern, daß er den Titel eines „Kaiſers von Öſterreich“ annehme. Hü-

1) Als Zeichen der Zeit ſei folgendes Begebnis angeführt: Gegen die Anerkennung des napoleoniſchen Kaiſertitels hatten die aus Frankreich vertriebenen Bourbonen bei den europäiſchen Höfen proteſtiert. Auch in Wien wurde das Schriftſtü> überreicht, das unbeantwortet blieb. Aber damit gab ſih der franzöſiſhe Geſchäftsträger, ein Vertrauensmann Napoleons in Wien, nicht zufrieden. Er verlangte, daß man die Note zurücfſenden möge, denn es ſei niht angemeſſen, in den Archiven ein Aftenſtü> zu bewahren, das einen Proteſt gegen den Kaiſertitel Napoleons enthalte. Dieſem Wunſche nachzukommen, konnten ſi<h die Wiener Staatsmänner nicht entſchließen; ſie machten jedo<h den Vorſchlag, den unbequemen Brief zu verbrennen. Das geſchah auh am 10. Auguſt. Dadurch erhielt die franzöſiſche Regierung, wie Cobenzl ausführte, ein neues Zeichen der Sympathie. (Adolf Beer. Zehn Jahre öſterreichiſcher Politik. Leipzig 1877.)