Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

A. Die Kongreſſe. 98

Widerſpruch der Mächte, vornehmlih auf die Bedenken niht vömiſch-katholiſcher Fürſten. Fndes, man konnte ſi<h in der Wiener Hofburg mit dem Schi>ſale abfinden, denn es brachte die Gebiete im Süden zurü. Öſterreich wurde wieder Herr der Lombardei, Veneziens und der illyriſhen Provinzen; den Thron von Toskana beſtieg Erherzog Ferdinand, der Bruder des Kaiſers; ebenſo kam ein Angehöriger des kaiſerlichen Hauſes in den Beſiz von Modena, während Parma und Piacenza der Gemahlin Napoleons, Maria Luiſe, der Tochter Franz I., zuſielen.

Jn Venedig wurde der Wandel der Regierung freudig begrüßt. Anders geſtalteten ſich die Verhältniſſe in der Lombardei und in erſter Linie in Mailand. Dieſe Stadt, die Napoleon zum Mittelpunkte des Königreichs JFtalien erhoben hatte, wollte ſich niht. dem herben Schickſale, eine gewöhnliche Provinzſtadt ſein zu müſſen, fügen. Überdies blieben auch die hochſliegenden Wünſche der Mailänder nach einer freien Verfaſſung unerfüllt. Zu einer italieniſchen Deputation, die Kaiſer Franz ſchon in Paris auſſuchte, meinte der öſterreichiſche Herrſcher, daß die Herren wohl einſehen werden, daß, nachdem ihr Land von der Wehrmacht erobert worden ſei, weder von einem Königreich Jtalien noch von einer Konſtitution die Rede ſein fönne 1). Dennoch bemühten ſich die erſten Sendboten der öſterreichiſchen Verwaltung voll flammenden Eifers, die zurüceroberten Provinzen mit dem Bande der Liebe an Öſterreich zu knüpfen und das Beſte zu leiſten, das ſi vollbringen ließ. Jn ihnen war etwas von der hohen Auffaſſung eines Weſſenberg, der im Juli 1814 aus Mailand an Metternich ſchrieb: „Jh kann Sie verſichern, daß die Ftaliener bei weitem leichter zu behandeln ſind als man glaubt. Wenn man Rückſicht und Achtung für ſie an den Tag legt, kann man mit ihnen weit kommen. Behandelt man ſie als eine a<htbare Nation, ſo wird man alles aus ihnen machen können, zeigt man ihnen hingegen Mißtrauen oder gar Verachtung, ſo werden ſie uns feindlich geſinnt ſein. .….“ Fn Wien war man jedoch der großen Aufgabe nicht gewachſen. Mit Kleinlichkeit und Argwohn bli>te man nach dem Süden und lähmte die führenden Beamten in Mailand und Venedig, ſtatt ihnen ihre ſchwierige Aufgabe zu erleichtern. Zudem ergaben ſich aus den eigenartigen Zuſtänden, die ſich in der Napoleoniſchen Zeit herausgebildet hatten, vielerlei Komplikationen, die ſchmerzliche Eingriffe gebieteriſ< erforderten. Unzählige Exiſten-

1) Adolf v. Wiedemann- Warnhelm. Die Wiederherſtellung der öſterreichiſhen Vorherrſchaft in Jtalien. 1813—1815. Wien 1912.