Geschichte der auswärtigen Politik Österreichs im 19. Jahrhundert.

94 IV. Jm Dienſte der europäiſchen Reaktion.

zen mußten dem Vorteile der Allgemeinheit geopfert werden, und die wirtſchaftlich Geſchädigten geſellten ſich zu den politiſ<h Enttäuſchten. So entwidelte ſich allmählich eine feindſelige Stimmung gegen Öſter=reich, die nicht beſſer wurde, als Metternich die Bleikammern des venezianiſchen Staatsgefängniſſes und die furchtbaren Zellen der Feſtung Spielberg politiſch verwertete.

Den tiefen Sinn der nationalen Bewegung jenſeits der Alpen wollte man nicht verſtehen. Nach dem großen Kongreſſe in Wien verſchwand im „Öſterreichiſchen Beobachter“ die Rubrik Ftalien ; das Blatt, das von Geng beeinflußt wurde, kannte fortab nur mehr ein Königreich Sardinien oder Sizilien uſw. Doch obgleich Metter=nich jene geringſchäßig belächelte, die von einem ſelbſtändigen, freien Ftalien ſhwärmten, dachte er lebhaft daran, einen italieniſchen Bund — eine Vereinigung der Fürſten — zu ſtiften und in ein Vaſallenverhältnis zum Kaiſerſtaate zu bringen. Sollte der Wiener Hof nicht auf Dank rechnen, da er mit ſeinen Truppen die Reſtauration auf der Halbinſel durchgeführt und die zertrümmerten Throne wieder aufgerichtet hatte? Jm Juni 1815 {loß Öſterreich mit Neapel einen Vertrag. Jn geheimen Artikeln wurde ausgemacht, daß König Ferdinand keine Verfaſſung einführen und keine Neuerungen dulden dürfe; auch ſollte er fein Bündnis eingehen, das dem Übereinkommen oder dem fünftigen italieniſchen Bunde widerſpreche. Faſt um dieſelbe Zeit wurden mit Toskana und Modena Schußund Truzbündniſſe vereinbart. Aber Metternichs von reaktionärem Geiſte erfüllter Plan der Gründung eines italieniſchen Bundes ſcheiterte. Der Papſt lehnte ab und ſelbſt der einſihtsvolle Großherzog von Toskana wollte nicht Knechtesdienſte leiſten. Am energiſchſten widerſprach Sardinien, das bereits anfing, der Wiener Hofburg Übelwollen zu bezeugen. Jn dieſem Beginnen wurde das Königreich von Rußland angeeifert, deſſen Staatsmann Capodiſtria vielleicht unbewußt ein Stück Zukunft verkündete, als er den Saß ausſprach: Die Jdee der italieniſchen Unabhängigkeit könnte Sardinien viele Vorteile bringen und Öſterreich viel Übles antun.

Eine Zeit hindurch herrſchte in Ftalien jene dumpfe Stille, die das Fdeal Metternichs war. Aber da kam das Jahr 1820. Jm März gab es in Spanien eine Revolution und im Juli brach in Neapel ganz unvermutet eineM ilitärverſ<hwörun g aus, die den bös8willigen König Ferdinand zur Einführung der ſpaniſchen Verfaſſung zwang. Die italieniſchen Patrioten jubelten und Roſſetti beſang jauchzend das Morgenrot der neapolitaniſchen Freiheit. Das waren