Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Maſſena’s Erpreſſungen in Nom. 137

hatten in den eroberten Ländern von jeher übel gehauſt, aber die Generale, ſowohl der alten Monarchie als der Republif, mit äußerſt ſeltenen Aus= nahmen, ihre Hände rein von Erpreſſungen und Unterſchleifen erhalten. Jetzt, wo der Obergeneral ſelbſt an dem Beraubungsgeſchäft Theil nahm, fannte daſſelbe keine Gränzen mehr. Alles, was ſi<h aus dem Vatikan, und den Paläſten und Villen der dem Pabſte treu gebliebenen Großen, die meiſt flüchtig geworden waren, fortbringen ließ, ward mit Beſchlag belegt. Selbſt die Kirchen wurden niht verſchont. Diesmal waren es weniger Kunſtwerke und Seltenheiten, als vielmehr Alles, was ſi< ſo= glei verwerthen ließ, worauf Jagd gemacht wurde. Von Maſſena ward in dem Grade alles Ehr- und Rechtsgefühl verläugnet , daß er ſeinen Officieren ihren Sold, den Unterofficieren und Soldaten Kleidungs= ſtü>e und Schuhwerk vorenthielt, und ihnen die ſchlechteſten Nahrungsmittel verabreichte, während das von ihm beſetzte Land die zu einem an-= gemeſſenen Unterhalte der Truppen nöthigen Koſten tragen mußte. Das franzöſiſche Militair, welches ſich ſonſt durch die Leichtigkeit, mit welche! es nothwendige Entbehrungen zu ertragen verſteht, auszeihnet, war je= doch nicht geneigt, ſich auf ſolche Art beſtehlen zu laſſen. Am 24. Februax (1798) verſammelten ſi< ſämmtliche Officiere der Beſabung vom Hauptmann abwärts im Pantheon, und ſetzten eine Adreſſe an das Direftorium auf, in welcher ſie ihre Entrüſtung niht nur gegen die an ihnen begangenen Veruntreuungen, ſondern auch gegen die an der Bevölkerung verübten Erpreſſungen ausſprachen. Sie verpflichteten ſih unter einander auf Ehrenwort, dieſe Erklärung in keinem Falle zurü>zunehmen, und deren Folgen gemeinſam zu vertreten. Die Unterofficiere und Soldaten ſtimmten den Hauptleuten und Lieutenants bei, die höheren Officiere ver= hielten ſih ſhweigend. Maſſena mußte das Kommando niederlegen, und ſich nah Ancona begeben. Der General d'Allemagne übernahm den Oberbefehl. Von dem Direktorium ward eine Zeit nachher der General Gouvion St. Cyr zur Unterſuchung des Vorfalles nah Rom geſchi>t. Derſelbe gab, ohne die Auflehnung zu billigen, den Betheiligten im We-= fentlihen Recht, und wußte durch Feſtigkeit und Klugheit den eingeriſſe= nen Unordnungen zu ſteuern.

Das Volk in Rom und der Umgegend war von der Laſt der Ein-= quartierung, von den für die Franzoſen zu leiſtenden Spann- und ande= ren Dienſten, von der ſeit Sprengung des päbſtlichen Hofes eingetrete= nen Nahrungsloſigkeit, ſehr bald gegen die neue Ordnung der Dinge eingenommen worden. Die an die Stelle der geiſtlichen Regierung ge= treteneu Behörden verſtonden es nicht, oder beſaßen niht die Mittel,