Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

Stellung des Direktoriums zu der Schweiz. 141

men der Art mit dem Fortſchritt nicht no unverträglicher, als ſelbſt die unumſchränkteſten Monarchien, ſeien ?

Ungeachtet aller Mißbräuche, welche ſich im Laufe der Zeit in die ſ{weizeriſhen Verfaſſungen eingeſchlichen hatten, und ungeachtet aller Schranken, von welchen vie Idee der Freiheit umgeben war, lebte do< im Volke immer die Erinnerung daran fort, daß die Eidgenoſſenſchaft urſprünglich aus einem Bunde Gleichberechtigter beſtand, und ihr Entſte= hen einem Kampfe gegen monuarchiſGe und ariſtokratiſche Willkühr ver= dankte. Dieſe tief in das Gefühl eingedrungene Vorſtellung ließ keine unbedingte Ergebenheit und Fügſamkeit unter den Willen der Matht= haber zu. Da aber bei der aufßerordentlichen Zerſplitterung der Schweiz, der Verſchiedenheit der fonfeſſionellen und politiſchen Intereſſen, den

‘mannigfaltigen Beziehungen zum Auslande, in ihr keine einmüthige,

weder poſitive no negative, Richtung durchdringen konnte, ſo war kein Gedanke an eine beſtimmte Neugeſtaltung in der Bevölkerung aufgeſtie= gen, und die Gemüther hatten die Liebe und Verehrung für das Bez ſtehende verloren, ohne daß ihnen etwas Beſſeres in ſichtbarer Geſtalc vorgeſchwebt hätte.

Das Direktorium hatte von Anfang an die Abſicht gehabt, die anz gränzenden und von den franzöſiſchen Waffen beſiegten Staaten, wenn ſie ſi nicht mit Frankreich vereinigen ließen, in Republiken nah ſranzöz fiſchem Muſter zu verwandeln. Die Eidgenoſſenſchaft konnte, bei der Ab= gelebtheit ihrer Staatsformen, und ihrer inneren Uneinigkeit, der Auf= merfſamfkeit das Direktoriums in dieſer Beziehung nicht entgehen. Es mußte deshalb um jeden Preis eine Veranlaſſung zum Bruche mit der= ſelben, deſſen Ergebuiß bei der Ungleichheit der Kräfte leiht voraus= zuſehen war, geſucht werden. Hierzu hatte das Direktorium im Stillen Alles längſt vorbereitet.

Die Schweiz unmittelbar in Frankreich aufgehen zu laſſen, würde den unverſöhnlichen Widerſpru<h Europa's nach ſi gezogen haben, und iſt ſelbſt von Napoleon, als derſelbe auf dem Höhenpunkte ſeiner Macht ſtand, nicht unternommen worden. Aber der Eidgenoſſenſchaft eine dex franzöſiſchen ähnliche Verfaſſung aufzulegen, daſelbſt eine franzöſiſche Partei zu ſchaffen, und ein enges Bündniß mit der franzöſiſchen Republik herbeizuführen, konnte, was die politiſchen Reſultate betrifft, eben ſo vor= theilhaft wie eine Einverleibung werden. Von Oeſterreich, welches ſonſt unter allen Kontinentalſtaaten das größte Intereſſe hatte, die Schweiz nicht unter franzöſiſchen Einfluß fallen zu laſſen, wurde nah dem Frie=