Geschichte der neuesten Zeit 1789 bis 1871

1492 Neueſte Geſchichte. 1. Zeitraum,

den von Campo Formio kein Widerſtand gegen die Abſichten des Di= reftoriums beſorgt.

Die Gelegenheit zu einer Einmiſchung in die Angelegenheiten der Schweiz ward dem Direktorium von einem der ärgſten vort vorhandenen Mißbräuche gegeben. Vermöge des vom Geiſte des Mittelalters auf die Eidgenoſſen in einigen Nichtungen übergegangenen Hanges zur Bevorrechtung, Ausſchließung und Unterdrückung, beſaßen viele Kantone, außer ihren Mitbürgern, no< Unterthanen, die ihnen dur Eroberungen und Abtretungen zugefallen waren. Dieſe ſtanden außerhalb des freien ſtaatlichen Verbandes, übten kein Stimmrecht aus, waren von allen ein=z flußreichen Aemtern ausgeſchloſſen, und wurden dur von dem herrſchenden Kantone ernannte Statthalter oder Vögte regiert. Dieſe Abhängig= keit wird da, wo die Freiheit vorhanden iſt, von denen, welchen ſie entzogen iſt, beſonders übel empfunden. Den meiſten Widerwillen erregt aber ein ſoler Zuſtand bei den Unterthanen, wenn der herrſchende Stamm einer anderen Nationalität angehört, und an geiſtiger Kultur den Negierten eher nachſteht, als ihnen überlegen iſt.

In folchem Verhältniß befand ſih das franzöſiſ<he Waadtland zu dem deutſchen Bern, welches lettere, bei ſeinen Unterthanen derſelben Abkunſt , ſelten auf Widerſtand geſtoßen war, gegen deſſen Herrſchaft aber das Selbſtgefühl der Waadtländer ſih immer geſträubt hatte. Das Waadtland war durch die nachbarlichen Beziehungen zu dem hochgebil= deten Genf, dur< die aus Paris kommenden Einflüſſe, von einem durch= aus anderen Geiſte als Bern erfüllt, deſſen Landvögte, durch ihr rauhes, hohfahrendes Weſen, den feinen Sinn dieſer Bevölkerung unaufhörlih verleßt hatten. Es gab im Waadtlande einen zahlreichen Adel, der viel in franzöſiſchen Krieg8dienſt trai, und dem, bei der dort gewonnenen An= ſhauung großartiger Verhältniſſe, nah der Rückkehr in die Heimath, der kleinliche ſteife Sinn berniſcher Patricier, deren Dru> er gleichwohl zu= weilen ausgeſeßzt war, unerträglich erſchien. Selbſt die älteſten Familien dieſes urſprünglich meiſt burgundiſchen und ſavoyiſchen Adels waren von dem politiſchen Gemeinweſen des herrſchenden Kantons vollkommen aus= geſ<loſſen. Aber auh alle übrigen Klaſſen fühlten ſi<h dem berniſchen Negiment, als einem aufgedrungenen und ausſ{ließenden, fremd, und dachten daſſelbe bei der erſten günſtigen Gelegenheit abzuſchütteln.

Dieſe Geſinnung wax im Waadtlande alt, hatte aber bis zu ver franzöſiſchen Revolution hin, bei den ſtabilen Verhältniſſen Euz ropa’s, niht zum Ausbru<h kommen können. Aber die Loſung von 1789, der Sturz der Bevorre<htungen und Ausſchließungen, klang